Inter­na­tio­na­ler Frau­en­tag in Neuss!

Zum Inter­na­tio­na­len Frau­en­tag ver­teil­ten unse­re Genos­sin­nen und Genos­sen Blu­men und Fly­er in der Neus­ser Innen­stadt. Die Pas­san­tin­nen und Pas­san­ten nah­men die­se ger­ne entgegen.

Wie die KPD zur Mas­sen­par­tei gewor­den ist

Ein­stieg

Wir beschäf­ti­gen uns heu­te damit, wie die Kom­mu­nis­ti­sche Par­tei Deutsch­lands (KPD) zur Mas­sen­par­tei wurde.

Aus­ga­be des VKPD-Pla­kats „Pro­le­ta­ri­er! Wählt Kom­mu­nis­ten! Lis­te V.K.P.D.“ (1921)

Leit­fra­ge: Wel­che Par­tei soll­ten die Pro­le­ta­ri­er wählen?

Nach der Ver­ei­ni­gung mit der USPD (Lin­ke) wur­de die KPD umbe-nannt in Ver­ei­nig­te Kom­mu­nis­ti­sche Par­tei Deutsch­lands (VKPD).

Die Ent­wick­lung der KPD (Spar­ta­kus­bund) zur Mas­sen­par­tei     (im Zeit­raum von Janu­ar 1919 bis Dezem­ber 1920)

Das ist das The­ma mei­nes heu­ti­gen Vor­trags, der nicht gehal­ten wird, um Nost­al­gi­kern das Herz zu erwär­men. Viel­mehr soll er hilf­reich sein für unser aktu­el­les Ziel, die DKP erheb­lich stär­ker in der lohn­ab-hän­gi­gen Bevöl­ke­rung und somit in den Betrie­ben zu verankern.

Zu die­sem Zweck wird gezeigt, wie aus der klei­nen KPD (Spar­ta­kus-bund) inner­halb von zwei Jah­ren die Mas­sen­par­tei VKPD (Sek­ti­on der Kom­mu­nis­ti­schen Inter­na­tio­na­le) wer­den konnte.

1. Ein Rück­blick als Vorbemerkung

Weil die sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Par­tei­en SPD und USPD geprägt waren durch eine son­der­ba­re Zusam­men­hangs­lo­sig­keit zwi­schen ihrem revo­lu­tio­nä­ren mar­xis­ti­schen Grund­satz­pro­gramm und ihrer Tages­po­li­tik, grün­de­ten ehe­ma­li­ge Sozi­al­de­mo­kra­ten um Rosa Luxem­burg, Karl Lieb­knecht und Franz Mehring an der Jah­res­wen­de 1918/19 eine kom­mu­nis­ti­sche Par­tei – näm­lich die KPD.

Das ist mei­ne The­se, die nun ein wenig erläu­tert wird.

Zwar ver­kün­de­te die Sozi­al­de­mo­kra­tie – im Anschluss an Karl Marx – in ihrem Grund­satz­pro­gramm, dass es gutes Leben für alle Gesell­schafts­mit­glie­der nur jen­seits der kapi­ta­lis­ti­schen Waren-pro­duk­ti­on geben kann. Denn der Zweck der kapi­ta­lis­ti­schen Pro­duk­ti­ons­wei­se ist die Ver­meh­rung des inves­tier­ten Unter­neh­mer-gel­des mit­tels Waren­pro­duk­ti­on: Geld-Ware-Geld – so lau­tet die Zau­ber­for­mel der kapi­ta­lis­ti­schen Plus­ma­che­rei! Für die­sen bor-nier­ten Zweck wird der lohn­ab­hän­gi­ge Mensch als „varia­bles Kapi­tal“ instru­men­ta­li­siert, des­sen Lohn­kos­ten mini­miert wer­den müs­sen, um den Betriebs­ge­winn des Kapi­ta­lis­ten  zu maxi­mie­ren. Das kräf­te-zeh­ren­de und zugleich kar­ge Leben des Lohn­ab­hän­gi­gen hat sei­nen Grund mit­hin im kapi­ta­lis­ti­schen Wirt­schafts­sys­tem, wes­halb die­ses waren­pro­du­zie­ren­de Sys­tem über­wun­den wer­den muss.

Eine Stra­te­gie­kon­zep­ti­on für die Über­win­dung des kapi­ta­lis­ti­schen Wirt­schafts­sys­tems hat­te die Sozi­al­de­mo­kra­tie jedoch nicht, und zwar weder die SPD noch die USPD. Die aller­meis­ten Sozi­al­de­mo­kra­ten glaub­ten näm­lich an einen natur­not­wen­di­gen Zusam­men­bruch der kapi­ta­lis­ti­schen Pro­duk­ti­ons­wei­se, auf den sie in ihren „Wahl­ver-einen“ gedul­dig, aber ver­geb­lich war­te­ten.                             [Fuß­no­te 1]                                  

Nicht war­ten auf den „gro­ßen Klad­de­ra­datsch“ woll­ten die Kom­mu-nis­ten um Rosa Luxem­burg und Karl Lieb­knecht, sodass sie mit der Sozi­al­de­mo­kra­tie und deren „Nur-Par­la­men­ta­ris­mus“ bra­chen. Statt­des­sen ent­wi­ckel­ten die Kom­mu­nis­ten eine revo­lu­tio­nä­re Mach­te­robe­rungs­stra­te­gie namens „Mas­sen­streik“.

Die Mas­sen­streik­stra­te­gie über­wand den sozi­al­de­mo­kra­ti­schen „Nur-Par­la­men­ta­ris­mus“, indem sie auf die Ver­an­ke­rung der Kom­mu­nis­ten in den Betrie­ben ori­en­tier­te. Die öko­no­mi­sche Macht der Lohn­ar­bei­ter als orga­ni­sier­te Klas­se nut­zend, soll­ten Mas­sen­streiks die poli­ti­sche Mach­te­robe­rung der Par­tei einleiten.

Dass ein Zusam­men­hang bestehen muss zwi­schen der tages-poli­ti­schen Pra­xis und dem revo­lu­tio­nä­ren End­ziel, ist eine zen­tra­le Leh­re, die unse­re DKP aus der KPD-Geschich­te gezo­gen hat. Des­halb wur­de bei­spiels­wei­se auf dem 22. Par­tei­tag der DKP zur „Siche­rung der Lebens­grund­la­gen“ beschlossen:

„Es gilt die Ein­sicht zu stär­ken, dass letzt­lich nur ein Bruch mit der kapi­ta­lis­ti­schen Wirt­schafts­wei­se und die Errich­tung einer sozia­lis­ti­schen Plan­wirt­schaft dau­er­haft wirk­sa­me Maß­nah­men für Kli­ma- und Umwelt­schutz mög­lich machen.“                      [Fuß­no­te 2]

Das war mein Tra­di­ti­ons­be­wusst­sein stif­ten­der Rück­blick und nun folgt Oberpunkt …

2. Die Ent­wick­lung nach dem Grün­dungs­par­tei­tag der KPD

Auf der pro­gram­ma­tisch-stra­te­gi­schen Ebe­ne war man sich beim Grün­dungs­par­tei­tag an der Jah­res­wen­de 1918/19 einig: Ein­ge­lei­tet durch Mas­sen­streiks und voll­endet durch einen Auf­stand in Form eines Gene­ral­streiks der Lohn­ar­bei­ter, woll­te die KPD die Staats­macht erobern, um die kapi­ta­lis­ti­sche Pro­duk­ti­ons­wei­se durch eine sozia­lis­ti­sche Plan­wirt­schaft zu erset­zen. Der Zweck der Pro­duk­ti­ons-wei­se soll­te nicht län­ger die Pro­fit­ma­che­rei der Kapi­ta­lis­ten sein, son­dern die Bedürf­nis­be­frie­di­gung der Indi­vi­du­en werden.

Dage­gen war auf der Ebe­ne der Tak­tik die anar­cho-syn­di­ka­lis­ti­sche Strö­mung domi­nie­rend, sodass zum Bei­spiel die Teil­nah­me der KPD an den Wah­len zur kon­sti­tu­ie­ren­den Natio­nal­ver­samm­lung abge­lehnt wur­de. Die mar­xis­ti­sche Min­der­heits­strö­mung ver­such­te ver­geb­lich, die Par­tei­tags­de­le­gier­ten davon zu über­zeu­gen, dass das bür­ger­li­che Par­la­ment als Tri­bü­ne des Klas­sen­kamp­fes genutzt wer­den müs­se, um die bis­lang schwa­che „geis­ti­ge Revo­lu­tio­nie­rung der Mas­sen“ zu vertiefen.

Die Miss­ach­tung der Tak­tik durch die Anar­cho-Syn­di­ka­lis­ten ver­un-mög­lich­te eine star­ke Ver­an­ke­rung der KPD in der Arbei­ter­klas­se, weil die Par­tei sich selbst iso­lier­te. Die­ses Pro­blem soll nun in den Blick genom­men wer­den im Unterpunkt …

2.1 Die feh­len­de Elas­ti­zi­tät in tak­ti­schen Fragen

Weil die anar­cho-syn­di­ka­lis­ti­sche Mehr­heits­strö­mung das man­geln­de revo­lu­tio­nä­re Bewusst­sein der Arbei­ter­klas­se igno­rier­te, hielt man tak­ti­sche Über­le­gun­gen für über­flüs­sig. Wahl­be­tei­li­gung zwecks Sys­tem­kri­tik und oppo­si­tio­nel­le Auf­klä­rungs­ar­beit in den Gewerk-schaf­ten sei­en Kraft­ver­geu­dung, da die KPD inner­halb kur­zer Zeit die Macht erobern könne.

Die feh­len­de Elas­ti­zi­tät in tak­ti­schen Fra­gen, die der revo­lu­tio­nä­ren Unge­duld – so Rosa Luxem­burg geschul­det war, bestimm­te die Poli­tik der KPD bis zu deren zwei­tem Par­tei­tag im Okto­ber 1919. Zunächst boy­kot­tier­te die neue Par­tei die Wah­len zur ver­fas­sungs-geben­den Natio­nal­ver­samm­lung, die am 19. Janu­ar 1919 statt-fan­den. Im April 1919 kam es dann zum Boy­kott des 2. Reichs­rä­te-kon­gres­ses. In bei­den Fäl­len nahm sich die KPD die Mög­lich­keit, ihre revo­lu­tio­nä­ren anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Vor­stel­lun­gen und Zie­le zu pro­pa-gie­ren und dadurch ihren Mas­sen­ein­fluss zu erweitern. 

                                                                                             [Fuß­no­te 3]

Wegen ihrer unelas­ti­schen Tak­tik war die KPD vor ihrem 2. Par­tei­tag ohne gro­ßen Anhang in der rebel­li­schen Arbei­ter­klas­se, was der neue Par­tei­vor­sit­zen­de Paul Levi grund­le­gend ändern woll­te. Hier­von han­delt der Unterpunkt …

2.2 Die Abspal­tung der Anarcho-Syndikalisten

Paul Levi, der nach der Ermor­dung von Rosa Luxem­burg, Karl Lieb­knecht und Leo Jogi­sches den Vor­sitz der KPD im März 1919 über­nom­men hat­te, ent­fach­te eine erneu­te Dis­kus­si­on über die tak­ti­schen Fra­gen. Dabei ging es Levi dar­um, die Anar­cho-Syn­di-kalis­ten aus der Par­tei zu drän­gen, um so die Ver­ei­ni­gung mit dem revo­lu­tio­nä­ren lin­ken Flü­gel der USPD zu ermöglichen.

Aus die­sem Grund leg­te die Levi-Zen­tra­le dem 2. Par­tei­tag der KPD im Okto­ber 1919 „Leit­sät­ze über kom­mu­nis­ti­sche Grund­sät­ze und Tak­tik“ vor, mit­tels derer die tak­ti­schen Ent­schei­dun­gen des 1. Par-tei­ta­ges bezüg­lich der bür­ger­li­chen Par­la­ments­wah­len und der sozi­al-demo­kra­ti­schen Gewerk­schaf­ten revi­diert wer­den soll­ten. Begrün­det wur­de die gefor­der­te neue tak­ti­sche Ori­en­tie­rung der KPD wie folgt:

„In allen Sta­di­en der Revo­lu­ti­on, die der Macht­er­grei­fung des Pro­le­ta-riats vor­an­ge­hen, ist die Revo­lu­ti­on ein poli­ti­scher Kampf der Pro­le-tarier­mas­sen um die poli­ti­sche Macht. Die­ser Kampf wird mit allen poli­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Mit­teln geführt. Die K.P.D. ist sich bewusst, dass die­ser Kampf nur mit den größ­ten poli­ti­schen Mit­teln (Mas­sen­streik, Mas­sen­de­mons­tra­tio­nen, Auf­stand) zum sieg­rei­chen Ende gebracht wer­den kann. Dabei kann die K.P.D. auf kein poli­ti-sches Mit­tel ver­zich­ten, das der Vor­be­rei­tung die­ser gro­ßen Kämp­fe dient.“ Dafür müs­se die Par­tei als „Vor­hut der Arbei­ter­klas­se“ zen­tra-lis­tisch auf­ge­baut sein, wes­halb sie den syn­di­ka­lis­ti­schen Föde­ra-lis­mus ver­wer­fe.                                                                       [Fuß­no­te 4]

Für die neue Tak­tik und die zen­tra­lis­ti­sche Orga­ni­sa­ti­ons­form stimm-ten letzt­lich 31 Dele­gier­te, dage­gen waren 18 Dele­gier­te. Dar­auf­hin wur­den die unter­le­ge­nen anar­cho-syn­di­ka­lis­ti­schen Dele­gier­ten von den wei­te­ren Ver­hand­lun­gen des Par­tei­ta­ges aus­ge­schlos­sen. Infol­ge-des­sen grün­de­ten die Anar­cho-Syn­di­ka­lis­ten im April 1920 die Kom-munis­ti­sche Arbei­ter-Par­tei Deutsch­lands (KAPD).               [Fuß­no­te 5]

Auf­grund der Abspal­tung ging die Mit­glie­der­zahl der KPD zwar von unge­fähr 107 000 auf rund 50 000 zurück. Aber die neue, elas­ti­sche Tak­tik der KPD führ­te dazu, dass sie an den Reichs­tags­wah­len vom 6. Juni 1920 teil­nahm. Nimmt man die kom­mu­nis­ti­schen Stim­men als Grad­mes­ser des Klas­sen­be­wusst­seins der Pro­le­ta­rier­mas­sen, dann zei­gen die 441 793  (= 1,7 Pro­zent) KPD-Stim­men die gerin­ge Ver­an­ke-rung der Par­tei in der Arbei­ter­klas­se. – Das soll­te sich aller­dings sehr bald ändern, wor­über der Ober­punkt 3 des Vor­trags Aus­kunft gibt.

3. Die Ver­ei­ni­gung der KPD (Spar­ta­kus­bund) mit der USPD (Lin­ke)

Zustan­de kam die Ver­schmel­zung der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei Deutsch­lands (KPD) mit dem lin­ken Flü­gel der Unab­hän­gi­gen Sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Par­tei Deutsch­lands (USPD) auf­grund von drei Faktoren.

Ers­tens: Zum einen hat­te sich die KPD von ihrer anar­cho-syn­di­ka-lis­ti­schen Strö­mung getrennt, wodurch eine elas­ti­sche Tak­tik mög­lich wur­de. Infol­ge der neu­en Elas­ti­zi­tät in tak­ti­schen Fra­gen wur­de im März 1920 – nach eini­gem Zögern der KPD-Zen­tra­le – eine Ein­heits-front gebil­det zwi­schen KPD, USPD und MSPD, die sich gegen den mon­ar­chis­ti­schen Kapp-Putsch rich­te­te. Mit­tels eines Gene­ral­streiks, an dem sich rund zwölf Mil­lio­nen Arbei­ter und Ange­stell­te betei­lig­ten, wur­den die Mon­ar­chis­ten besiegt und die bür­ger­li­che Repu­blik geret­tet.                                                                                [Fuß­no­te 6]

Zwei­tens: Zum ande­ren hat­te in der USPD ein fun­da­men­ta­ler Links-ruck statt­ge­fun­den, sodass die Par­tei sich nun gegen den bür­ger-lichen Par­la­men­ta­ris­mus und für die pro­le­ta­ri­sche Räte­re­pu­blik aus­sprach.                                                                            [Fuß­no­te 7]

Drit­tens: Der aus­schlag­ge­ben­de Fak­tor aber war die Ent­schei­dung der USPD, der Kom­mu­nis­ti­schen Inter­na­tio­na­le (KI) bei­zu­tre­ten. — Die Rol­le der KI bei der Ver­ei­ni­gung von KPD und USPD ist Gegen­stand des Unterpunktes …

3.1 Die Rol­le der Kom­mu­nis­ti­schen Inter­na­tio­na­le (KI)

Ab dem Som­mer 1919 war klar, dass der revo­lu­tio­nä­re lin­ke Flü­gel der USPD der Kom­mu­nis­ti­schen Inter­na­tio­na­le (KI) bei­tre­ten woll­te, die im März 1919 in Mos­kau gegrün­det wor­den war, und zwar unter der Lei­tung Lenins. Dass die sozia­lis­ti­sche Revo­lu­ti­on in Deutsch­land durch die Eta­blie­rung einer bür­ger­li­chen Repu­blik geschei­tert war, warf die Fra­ge auf, wie man durch inter­na­tio­na­len Zusam­men­schluss eine bes­se­re Koor­di­na­ti­on revo­lu­tio­nä­rer Erhe­bun­gen errei­chen kön­ne. Da die Bol­sche­wi­ki unter Lenins Füh­rung die sieg­rei­che Okto­ber-Revo­lu­ti­on in Russ­land vor­zu­wei­sen hat­ten, gab es in der USPD einen „Drang der Par­tei­ba­sis nach Mos­kau“.              [Fuß­no­te 8]

Als dann die Bei­tritts­ver­hand­lun­gen auf dem II. Welt­kon­gress der KI im Som­mer 1920 began­nen, hat­te das Exe­ku­tiv­ko­mi­tee der Kom­mu-nis­ti­schen Inter­na­tio­na­le bereits den Ent­schluss gefasst, die refor­mis-tischen „Kaut­skya­ner“ der USPD nicht in die KI auf­zu­neh­men. Denn sie zögen „die Bewe­gung zurück in den Sumpf“ der sozi­al­de­mo­kra­ti-schen II. Inter­na­tio­na­le. Ent­spre­chend wur­de mit der USPD-Dele­ga-tion ver­han­delt, wobei es um „21 Bedin­gun­gen“ für den Bei­tritt zur KI ging. Bei­tre­ten konn­ten nur Par­tei­en, die mit den „Refor­mis­ten aller Schat­tie­run­gen“ und deren kaut­skya­ni­schem Gedan­ken­gut gebro-chen hat­ten: Ohne den Bruch mit dem Nur-Par­la­men­ta­ris­mus sei eine „kon­se­quen­te kom­mu­nis­ti­sche Poli­tik nicht mög­lich“.          [Fuß­no­te 9]

Auf dem Par­tei­tag der USPD im Okto­ber 1920 stimm­ten 212 Dele-gier­te für den Anschluss an die KI, 147 Dele­gier­te dage­gen. Damit hat­te sich der revo­lu­tio­nä­re lin­ke Flü­gel der Mas­sen­par­tei durch-gesetzt, der für die Ver­schmel­zung mit der KPD (Spar­ta­kus­bund) in einer kom­mu­nis­ti­schen Par­tei als Sek­ti­on der KI plädierte. 

Dass die USPD – im Gegen­satz zur KPD – stark in der Arbei­ter­klas­se ver­an­kert war, zeigt sich am Ergeb­nis der Reichs­tags­wah­len im Juni 1920: 4 896 095 Wäh­ler (= 18,8 Pro­zent) stimm­ten für die USPD. Nur etwas stär­ker war der staats­treue Wahl­ver­ein MSPD – wie die SPD nun hieß; sie erhielt 5 616 164 Stim­men (= 21,6 Pro­zent).          [Fuß­no­te 10]

Auf­grund der Stär­ke der USPD ent­stand – ange­lei­tet durch die KI – im Dezem­ber 1920 in Deutsch­land erst­mals eine kom­mu­nis­ti­sche Par­tei, die tief in der Arbei­ter­klas­se ver­wur­zelt war: die Ver­ei­nig­te Kom­mu-nis­ti­sche Par­tei Deutsch­lands (Sek­ti­on der Kom­mu­nis­ti­schen Inter­na-tio­na­le). Um deren Grün­dungs­par­tei­tag geht es im nächs­ten und letz­ten Unter­punkt mei­nes Vortrags …

3.2 Der Vereinigungsparteitag

Der Par­tei­tag, auf dem sich die USPD (Lin­ke) und die KPD (Spar-takus­bund) zur VKPD (Sek­ti­on der Kom­mu­nis­ti­schen Inter­na­tio­na­le) ver­ei­nig­ten, fand vom 4. bis 7. Dezem­ber 1920 statt. Es nah­men 485 Dele­gier­te teil, von denen 349 von der USPD und 146 von der KPD dele­giert wor­den waren.

Im Zen­trum der Ver­hand­lun­gen auf dem Par­tei­tag stand die Fra­ge: Wel­che Schrit­te muss die VKPD als Sek­ti­on der KI ein­lei­ten, um in Deutsch­land an die pro­le­ta­ri­sche Revo­lu­ti­on heranzukommen?

Der Par­tei­vor­sit­zen­de Paul Levi leg­te in sei­nem Refe­rat zur Welt­la­ge dar, dass der Kapi­ta­lis­mus durch den Ers­ten Welt­krieg welt­weit in eine unge­heu­re Kri­se gera­ten sei. Die Alter­na­ti­ve zum ver­rot­te­ten Kapi­ta­lis­mus sei die Orga­ni­sie­rung der Welt­re­vo­lu­ti­on. Des­halb ziel­te die vom Par­tei­tag fest­ge­leg­te Tak­tik dar­auf, Aktio­nen zum Sturz des kapi­ta­lis­ti­schen Sys­tems durch­zu­füh­ren, und zwar anset­zend an den kon­kre­ten Bedürf­nis­sen der Massen. 

Von gro­ßer Bedeu­tung sei in tak­ti­scher Hin­sicht die oppo­si­tio­nel­le Gewerk­schafts­ar­beit, die auf der Grund­la­ge kom­mu­nis­ti­scher Frak­tio­nen orga­ni­siert wer­den müs­se. Auf die­se Wei­se kön­ne das sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Gedan­ken­gut, das die Mas­sen läh­me, zurück-gedrängt wer­den. Das war not­wen­dig, weil die sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Gewerk­schafts­füh­rung dazu­mal auf der Grund­la­ge des Stin­nes-Legi­en-Abkom­mens gemein­sam mit den Kapi­ta­lis­ten­ver­bän­den eine sys­tem­sta­bi­li­sie­ren­de „Arbeits­ge­mein­schafts­po­li­tik“ betrieb, um sozia­le Refor­men wie den Acht-Stun­den-Tag zu erreichen.

Wie die VKPD den sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Refor­mis­mus zurück­drän­gen woll­te, steht in ihrem „Mani­fest“: Durch die Grün­dung  der VKPD sei „die Vor­be­din­gung geschaf­fen für den Befrei­ungs­kampf des deut­schen Pro­le­ta­ri­ats, für den Kampf um die Räte­dik­ta­tur. Für den Kampf sagen wir, nicht für die Pro­pa­gan­da des Räte­ge­dan­kens.“ Denn die VKPD, in der Hun­dert­tau­sen­de orga­ni­siert sind, müs­se – anders als die klei­ne KPD – in ers­ter Linie durch „die Akti­on“ wer­ben.  [Fuß­no­te 11]

Die Schwer­punkt­ver­schie­bung von der Pro­pa­gan­da zur Akti­on hat ihren Grund dar­in, dass die VKPD mit rund 356 000 Mit­glie­dern eine revo­lu­tio­nä­re Mas­sen­par­tei und also ein bedeut­sa­mer Fak­tor in der deut­schen Poli­tik war. „Die Kampf­zeit der KPD“ war ange­bro­chen. –- Been­den wer­de ich mei­nen Vor­trag mit dem Ober­punkt …. [Fuß­no­te 12]

4. Zwei Fra­gen zur kom­mu­nis­ti­schen Stra­te­gie und Tak­tik 

Zum Schluss möch­te ich zwei Fra­gen stel­len, die unse­re  pra­xis­ori­en­tier­te Dis­kus­si­on struk­tu­rie­ren könnten.

Ers­tens: Sind tak­ti­sche Dif­fe­ren­zen zwi­schen den Mit­glie­dern einer kom­mu­nis­ti­schen Par­tei ein hin­rei­chen­der Spaltungsgrund?

Zwei­tens: Was lernt uns – um mit Wal­ter Ulb­richt zu spre­chen – die Behand­lung der Gewerk­schafts­fra­ge durch die VKPD?

Das Wort habt nun ihr, ver­ehr­te Anwesende!

Das Refe­rat wur­de auf der Mit­glie­der­ver­samm­lung der DKP Rhein-Kreis Neuss am 1. Febru­ar 2023 vorgetragen

Fuß­no­ten

[1] „Die U.S.P. sieht in den par­la­men­ta­ri­schen Aktio­nen den Ersatz für revo­lu­tio­nä­re Kämp­fe, die K.P.D. in ihnen ein Mit­tel ihrer Her­bei­füh­rung.“ Das KPD-Zitat fin­det sich in: Bericht (1919), Sei­te 63.

[2] Das DKP-Zitat stammt aus: Leit­an­trag (2017), Sei­te 21. In der vom Par­tei­tag beschlos­se­nen Fas­sung des Leit­an­trags (2018) fin­det sich auf den Sei­ten 34 und 35 die­sel­be Formulierung.

[3] Mit den tak­ti­schen Fra­gen „Gewerk­schafts­ar­beit“ und „Wahl­be­tei­li­gung“ befasst sich: Lenin (1920) auf den Sei­ten 417 bis 435.

[4] In: Bericht (1919) fin­den sich die Leit­sät­ze über kom­mu­nis­ti­sche Grund­sät­ze und Tak­tik, Par­la­men­ta­ris­mus sowie Gewerk­schafts­fra­ge auf den Sei­ten 60 bis 67; die Zita­te sind zu fin­den auf der Sei­te 60 bezie­hungs­wei­se 62.

[5] Über die Aus­ein­an­der­set­zun­gen auf dem 2. Par­tei­tag der KPD (Spar­ta­kus­bund) und ihre theo­re­ti­schen Hin­ter­grün­de infor­miert detail­liert: Bock (1968) auf den Sei­ten 139 bis 152.

Die Mehr­heit der Par­tei­tags­de­le­gier­ten hielt die Tren­nung von der anar­cho-syn­di­ka­lis-tischen Min­der­heit vor allem des­halb für unum­gäng­lich, weil deren „syn­di­ka­lis­ti­scher Föde­ra­lis­mus“ unver­ein­bar war mit dem mehr­heit­lich beschlos­se­nen demo­kra­ti­schen Zen­tra­lis­mus als Orga­ni­sa­ti­ons­prin­zip der Par­tei: Dass die Min­der­heit sich nach gründ-licher Dis­kus­si­on einer tak­ti­schen Fra­ge (Wahl­be­tei­li­gung zum Bei­spiel) dem Beschluss der Mehr­heit unter­ord­net, lehn­ten die Anar­cho-Syn­di­ka­lis­ten bei­spiels­wei­se ab.

Im Sta­tut der DKP von 1993 heißt es auf der Sei­te 6 zu die­ser Pro­ble­ma­tik: „Wenn trotz gründ­li­cher Dis­kus­si­on der Mit­glie­der kei­ne brei­te Über­ein­stim­mung erreicht wird, aber Ent­schei­dun­gen poli­tisch zwin­gend sind, sind Mehr­heits­be­schlüs­se unver­meid­lich und bindend.“ 

[6] Über die „zwie­späl­ti­ge Hal­tung“ der KPD wäh­rend des Kapp-Put­sches berich­tet Weber (1983) auf den Sei­ten 79 bis 82.

[7] Zum fun­da­men­ta­len Links­ruck in der USPD sie­he: Whee­ler (1975), Sei­te 162 bis 164.

[8] Whee­lers Kapi­tel V hat die Über­schrift „Der Drang der Par­tei­ba­sis nach Mos­kau“: Whee­ler (1975), Sei­te 132.

[9] Die „21 Bedin­gun­gen“ für die Auf­nah­me in die Kom­mu­nis­ti­sche Inter­na­tio­na­le (KI) sind abge­druckt in: Weber (1966) auf den Sei­ten 55 bis 62.

[10] Die Ergeb­nis­se der Reichs­tags­wah­len sind ent­nom­men aus: Chro­nik (1966), Sei­te 90. Das gilt auch für das KPD-Ergeb­nis, das auf der Sei­te 6 mei­nes Vor­trags genannt wird.

[11] Mei­ne Aus­füh­run­gen über den Ver­ei­ni­gungs­par­tei­tag von USPD (Lin­ke) und KPD (Spar­ta­kus­bund) basie­ren auf: Bericht (1920). Paul Levis Refe­rat fin­det sich dort auf den Sei­ten 29 bis 38, die Ver­hand­lun­gen über die Gewerk­schaf­ten und Betriebs­rä­te auf den Sei­ten 155 bis191 und das Mani­fest auf den Sei­ten 222 bis 236.

[12] Die Mit­glie­der­zahl der VKPD ist ent­nom­men aus: Weber (1983), Sei­te 83.

Bestim­mend für die Ent­wick­lung der VKPD in ihrer „Kampf­zeit“ von 1921 bis 1923 waren inner­par­tei­li­che Dif­fe­ren­zen bezüg­lich der „Offen­siv­tak­tik“ und der „Ein­heits­front­tak­tik“, sie­he hier­zu: eben­da, Sei­te 84 bis 96.

Quel­len

Bericht (1919) = Bericht über den 2. Par­tei­tag der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei Deutsch­lands (Spar­ta­kus­bund) vom 20. bis 24. Okto­ber 1919. Her­aus­ge­ge­ben von der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei Deutsch­lands (Spar­ta­kus­bund), ohne Ort und ohne Jahr (Reprint o. O. u. o. J.)

Bericht (1920) = Bericht über die Ver­hand­lun­gen des Ver­ei­ni­gungs­par­tei­ta­ges der U.S.P.D. (Lin­ke) und der K.P.D. (Spar­ta­kus­bund). Abge­hal­ten in Ber­lin vom 4. bis 7. Dezem­ber 1920. Her­aus­ge­ge­ben von der Zen­tra­le der Ver­ei­nig­ten Kom­mu­nis­ti-schen Par­tei Deutsch­lands, Ber­lin 1921 (Reprint o. O. u. o. J.)

Doku­men­te und Mate­ria­li­en zur Geschich­te der deut­schen Arbei­ter­be­we­gung, Band VII, Febru­ar 1919 – Dezem­ber 1923, 1. Halb­band, Febru­ar 1919 – Dezem-ber 1921. Her­aus­ge­ge­ben vom Insti­tut für Mar­xis­mus-Leni­nis­mus beim Zen­tral-komi­tee der Sozia­lis­ti­schen Ein­heits­par­tei Deutsch­lands, Ber­lin (DDR) 1966 

Leit­an­trag (2017) = Par­tei­vor­stand der DKP: Leit­an­trag an den 22. Par­tei­tag der DKP, UZ-Bei­la­ge, August 2017

Lenin (1920) = W. I. Lenin: Der „lin­ke Radi­ka­lis­mus“, die Kin­der­krank­heit im Kom­mu­nis­mus, in: der­sel­be: Aus­ge­wähl­te Wer­ke, Band III, Ber­lin (DDR) 1970, Sei­te 389 bis 485

Weber (1966) = Her­mann Weber: Die Kom­mu­nis­ti­sche Inter­na­tio­na­le. Eine Doku­men­ta­ti­on, Han­no­ver 1966

Sekun­där­li­te­ra­tur

Bock (1968) = Hans Man­fred Bock: Syn­di­ka­lis­mus und Links­kom­mu­nis­mus von 1918 – 1923. Zur Geschich­te und Sozio­lo­gie der Frei­en Arbei­ter-Uni­on Deutsch-lands (Syn­di­ka­lis­ten), der All­ge­mei­nen Arbei­ter-Uni­on Deutsch­lands und der Kom­mu­nis­ti­schen Arbei­ter-Par­tei Deutsch­lands, Mei­sen­heim am Glan 1969

Chro­nik (1966) = Geschich­te der deut­schen Arbei­ter­be­we­gung. Chro­nik. Teil II. Von 1917 bis 1945, her­aus­ge­ge­ben vom Insti­tut für Mar­xis­mus-Leni­nis­mus beim ZK der SED, Ber­lin (DDR) 1966

Weber (1983) = Her­mann Weber: Kom­mu­nis­mus in Deutsch­land 1918 – 1945 (Erträ­ge der For­schung, Band 198), Darm­stadt 1983

Whee­ler (1975) = Robert F. Whee­ler: USPD und Inter­na­tio­na­le. Sozia­lis­ti­scher Inter­na­tio­na­lis­mus in der Zeit der Revo­lu­ti­on, Frank­furt am Main, Köln und Wien 1975

Ein Vor­trag von Franz Anger