Es geht nicht ohne Kriegskredite

In der hei­ßen Pha­se des Bun­des­tags­wahl­kamp­fes über­bie­ten sich die bür­ger­li­chen Par­tei­en mit immer neu­en Auf­rüs­tungs­for­de­run­gen. Waren Wahl­ver­spre­chen in der Ver­gan­gen­heit noch dazu ange­tan, die Bevöl­ke­rung über kom­men­de Wohl­ta­ten zu belü­gen, dreht sich inzwi­schen alles um den Krieg gegen Russ­land. Bis auf weni­ge Aus­nah­men herrscht Einig­keit dar­über, dass er aus­ge­wei­tet wer­den soll. Öffent­lich­keits­wirk­sam gestrit­ten wird über die Fra­ge, wie die dafür not­wen­di­ge Aus­plün­de­rung der Bevöl­ke­rung am bes­ten zu bewerk­stel­li­gen ist.

In den Umfra­gen hat der­zeit mit der CDU eine Kraft die Nase vorn, die sich bedin­gungs­los für die Kriegs­es­ka­la­ti­on und den sozia­len Kahl­schlag enga­giert. Es war auch nicht zu erwar­ten, dass die nur schwer ver­dau­li­che Mischung aus Ampel-Thea­ter, öko­no­mi­schem Nie­der­gang und „Zeitenwende“-Propaganda spur­los an den Wäh­le­rin­nen und Wäh­lern vor­bei­ge­hen wür­de. So lässt sich viel­leicht auch erklä­ren, dass sich die Grü­nen über sta­bil zwei­stel­li­ge Umfra­ge­wer­te zwi­schen 13 und 15 Pro­zent freu­en können.

Damit das auch so bleibt, ver­su­chen die Grü­nen mög­lichst viel Abstand zwi­schen sich und die strau­cheln­de Kanz­ler-Par­tei SPD zu brin­gen. Im Gespräch mit „Poli­ti­co“ warn­te Außen­mi­nis­te­rin Anna­le­na Baer­bock (Grü­ne) davor, dass die Ukrai­ne das Zutrau­en in die euro­päi­schen Ver­bün­de­ten ver­lie­ren kön­ne. „Die­ses Ver­trau­en darf nicht erneut durch Zögern beschä­digt wer­den, das bei ande­ren Län­dern die Befürch­tung aus­lö­sen könn­te, dass Deutsch­land ihnen nicht zur Sei­te steht“, sag­te sie dem Maga­zin und teil­te damit einen Sei­ten­hieb auf Olaf Scholz (SPD) aus. Aus­lö­ser des Streits war die For­de­rung von Scholz, die drei Mil­li­ar­den Euro für das nächs­te Waf­fen­pa­ket an die Ukrai­ne von einer Aus­set­zung der Schul­den­brem­se abhän­gig zu machen. Anstel­le einer Kre­dit­fi­nan­zie­rung for­dern Uni­on, FDP und Grü­ne die Bereit­stel­lung des Gel­des als außer­plan­mä­ßi­ge Aus­ga­be aus dem Bun­des­haus­halt. Die SPD, die sonst nichts gegen die Ver­län­ge­rung des Schlach­tens in der Ukrai­ne vor­zu­brin­gen hat, warnt davor, dass dann an ande­rer Stel­le gekürzt wer­den müss­te.
Waf­fen­schie­ber unter sich, könn­te man mei­nen, und das Gan­ze als Wahl­kampf­schar­müt­zel abtun. Doch hin­ter der Aus­ein­an­der­set­zung um die nächs­te Lie­fe­rung ver­ber­gen sich ernst­haf­te stra­te­gi­sche Pro­ble­me. Bekannt ist, dass die Bun­des­re­pu­blik anstrebt, bis zum Jahr 2029 „kriegs­tüch­tig“ zu sein. Das hat weni­ger mit einem befürch­te­ten Angriff Russ­lands, son­dern mehr mit der Her­stel­lung von eige­nen Angriffs­fä­hig­kei­ten im Rah­men der NATO zu tun. Auf dem Weg dahin läuft ein regel­rech­ter Über­bie­tungs­wett­be­werb zwi­schen den Par­tei­en. Wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck (Grü­ne) for­dert, künf­tig 3,5 Pro­zent des Brut­to­in­lands­pro­dukts für die Rüs­tung aus­zu­ge­ben. AfD-Kanz­ler­kan­di­da­tin Ali­ce Wei­del kann sich auch 5 Pro­zent oder mehr vorstellen.

Und die SPD? Ver­lässt sich auf Kriegs­mi­nis­ter Boris Pis­to­ri­us. Der for­der­te in der „Süd­deut­schen Zei­tung“ vor weni­gen Tagen eine Erhö­hung des Wehr­etats um min­des­tens 30 Mil­li­ar­den Euro, um die Kriegs­aus­ga­ben bei einer Unter­gren­ze von 85 Mil­li­ar­den zu sta­bi­li­sie­ren, sobald das „Son­der­ver­mö­gen“ aus­ge­ge­ben ist. Dar­über hin­aus setz­te sich der Minis­ter für die Auf­stel­lung eines „Zehn­jah­res­plans“ ein. Mit Blick auf moder­ne Tech­no­lo­gien, Droh­nen und Krieg­füh­rung mit­tels „Künst­li­cher Intel­li­genz“ wer­de „sehr schnell klar, dass wir bis Mit­te der 30er Jah­re nach dem heu­ti­gen Preis­ni­veau 130 bis 150 Mil­li­ar­den Euro wer­den aus­ge­ben müs­sen, nur für Inves­ti­tio­nen in Rüs­tung und Ver­tei­di­gung“, so Pistorius.

Je näher der Wahl­ter­min rückt, umso mehr drängt sich die Finan­zie­rungs­fra­ge in den Vor­der­grund. Die Fra­ge „But­ter oder Kano­nen?“ spielt dabei nur noch ober­fläch­lich eine Rol­le. Wer es ernst­haft auf „Kriegs­tüch­tig­keit“ gegen Russ­land anlegt, braucht sehr viel mehr Geld als häu­fig suggeriert.

Anders als in den USA habe sich in Euro­pa „eine Aus­ga­ben­pra­xis ver­fes­tigt, bei der die Sozi­al­aus­ga­ben um den Fak­tor 3 bis 4 grö­ßer sind als der Haus­halt für Ver­tei­di­gung“, war kürz­lich in der Zeit­schrift „Inter­na­tio­na­le Poli­tik“ zu lesen. „Rein theo­re­tisch könn­te man die­ses Ver­hält­nis zuguns­ten des Mili­tärs ver­schie­ben“, setz­te das Blatt fort, das vom NATO-Thinktank „Deut­sche Gesell­schaft für Aus­wär­ti­ge Poli­tik“ her­aus­ge­ge­ben wird. Das wür­de aber einer­seits zu „erheb­li­chem Wider­stand“ und „Repu­ta­ti­ons­ver­lust“ für die Regie­rung füh­ren. Ande­rer­seits „könn­te auch maxi­ma­les Spa­ren im Haus­halt wohl nicht das Volu­men erbrin­gen, das man über lan­ge Zeit für eine ech­te stra­te­gi­sche Ertüch­ti­gung des Lan­des benö­ti­gen würde“.

Als Aus­weg bleibt dann wie­der eine Umge­hung der Schul­den­brem­se, die vor allem FDP und Uni­on der­zeit ver­teu­feln. Alter­na­tiv könn­te der deut­sche Impe­ria­lis­mus ver­su­chen, sei­ne Vor­macht­stel­lung in der EU aus­zu­bau­en und die Kriegs­kos­ten auf die­se Ebe­ne zu ver­la­gern. Die Behaup­tun­gen des kon­ser­va­ti­ven Lagers, die Hoch­rüs­tung las­se sich ohne neue Kriegs­kre­di­te auf den Weg brin­gen, ist genau­so absurd wie die SPD-Vor­stel­lung von „But­ter und Kano­nen“. Was sich im Wahl­kampf als gewöhn­li­cher Wett­streit im poli­ti­schen Auf und Ab dar­stellt, ist in Wahr­heit das Set­zen von unter­schied­li­chen Akzen­ten inner­halb eines ein­heit­li­chen Pro­zes­ses: Eines reak­tio­när-mili­ta­ris­ti­schen Staats­um­baus, der sich auch auf der Ebe­ne der Haus­halts­po­li­tik vollzieht.

Oder wie es in der Zeit­schrift „Inter­na­tio­na­le Poli­tik“ heißt: „Die zeit­lo­sen Geset­ze poli­ti­scher und mili­tä­ri­scher Macht sind nicht außer Kraft gesetzt. (…) Die Stär­ke, die zu macht­vol­ler Ver­tei­di­gung und not­falls robus­ter Durch­set­zung eige­ner Inter­es­sen befä­higt, muss bezahlt werden.“

Vin­cent Czies­la in UZ vom 24. Janu­ar 2025

War­um sol­len wir bis 2029 kriegs­tüch­tig sein?
Die­ser Fra­ge geht Ralf Hoh­mann im UZ-Blog nach.