Wer nicht hören will …

… muss hun­gern. In Schwe­rin sol­len Arbeits­lo­se und Geflüch­te­te in Bil­lig-Jobs gezwun­gen werden

Die Brand­mau­er hat gehal­ten – zumin­dest in der letz­ten Sit­zung der Stadt­ver­tre­tung in Schwe­rin. Dort hat­te die AfD einen Antrag ein­ge­bracht, mit dem Asyl­be­wer­ber zur Auf­nah­me von soge­nann­ten „Arbeits­ge­le­gen­hei­ten“ ver­pflich­tet wer­den soll­ten. Schuf­ten für 80 Cent pro Stun­de? Das macht der­zeit bun­des­weit Schu­le. Und auch die Schwe­ri­ner CDU erkann­te, dass die Geflüch­te­ten „zum Teil Arbeits­be­ga­bun­gen mit(bringen), die auch als wirt­schaft­li­ches Poten­ti­al ver­stan­den wer­den dürfen“.

Einem AfD-Antrag ein­fach so zustim­men? Das woll­ten die Brü­der im Geis­te nicht. Denn das Bedie­nen von ras­sis­ti­scher Men­schen­feind­lich­keit zur ver­schärf­ten Aus­beu­tung der Ärms­ten darf man nicht dem poli­ti­schen Geg­ner über­las­sen. Sonst wählt das Volk am Ende rechts. Also muss­te ein eige­ner CDU-Antrag her. Gesagt, getan: Gemein­sam mit der AfD ver­ab­schie­de­ten die Christ­de­mo­kra­ten den Uni­ons-Antrag, der nicht nur Asyl­be­wer­ber, son­dern auch Bür­ger­geld­be­zie­her zur Zwangs­ar­beit ver­don­nert. So geht Gerechtigkeit.

Aber was macht man mit den armen Leu­ten, die man zu jeder x‑beliebigen Tätig­keit ver­dam­men kann, solan­ge das „Arbeits­er­geb­nis der All­ge­mein­heit dient“? So steht es näm­lich in Para­graf 5 des Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­set­zes. Für die­ses Pro­blem hat­te die Schwe­ri­ner CDU eine Lösung parat. In ihrem Antrag führ­te sie eine „offe­ne“ Lis­te mit sie­ben Tätig­keits­fel­dern auf. Die Geknech­te­ten könn­ten zum Bei­spiel in öffent­li­chen Ein­rich­tun­gen arbei­ten oder bei Ver­ei­nen, an den Schu­len oder für den Umwelt­schutz. Für unkrea­ti­ve Aus­beu­ter soll zudem ein „Arbeits­ge­le­gen­heits-Ideen­pool“ ent­wi­ckelt werden.

Also an alles gedacht? Nicht ganz. Da gibt es noch die Schwe­ri­ner Stadt­ver­wal­tung mit ihrer nerv­tö­ten­den Sach­kennt­nis. Die kom­men­tier­te den CDU-Antrag mit dem Hin­weis, Arbeits­ge­le­gen­hei­ten sei­en „das Instru­ment, wel­ches am wenigs­ten zur Inte­gra­ti­on in den Arbeits­markt bei­trägt“. Zwangs­maß­nah­men und die Ver­hän­gung von Stra­fen für die Arbeits­un­wil­li­gen wür­den zudem einen hohen Ver­wal­tungs­auf­wand pro­du­zie­ren – Rechts­staat und so. Die Antrag­stel­ler igno­rier­ten die Ein­wän­de. Um auf denen her­um­zu­tram­peln, die ganz unten sind, ist einem guten Demo­kra­ten kein Auf­wand zu hoch.

Bei den Stra­fen muss außer­dem dif­fe­ren­ziert wer­den. Asyl­be­wer­bern dro­hen bei der Ver­wei­ge­rung eines Zwangs­jobs Kür­zun­gen von 180 Euro im Monat. Bür­ger­geld­be­zie­her müs­sen mit Sank­tio­nen bis zu 10 Pro­zent rech­nen. „Das bringt nichts, wenn ich nur von 550 auf 500 Euro fal­le und dafür wei­ter den gan­zen Tag frei­ha­be“, kom­men­tiert das der Land­rat des Saa­le-Orla-Krei­ses, Chris­ti­an Herr­gott (CDU). Herr­gott wur­de mit der Ein­füh­rung von Arbeits­ge­le­gen­hei­ten für Asyl­be­wer­ber bun­des­weit bekannt, nach­dem ihm eine ganz gro­ße Koali­ti­on von SPD, „Lin­ken“ und Grü­nen zum Sieg gegen den gefürch­te­ten AfD-Kan­di­da­ten ver­hol­fen hat­te. Nun sitzt er am obe­ren Ende der kom­mu­na­len Gehalts­ket­te und phi­lo­so­phiert dar­über, was ande­ren Men­schen 50 Euro wert sein können.

Ihre Fort­set­zung dürf­ten die­se erfolg­rei­chen Poli­tik­mo­del­le nach der kom­men­den Bun­des­tags­wahl fin­den. Schließ­lich sind die bür­ger­li­chen Par­tei­en im sozia­len Kahl­schlag ver­eint. Ohne den ist die gewünsch­te Auf­rüs­tung bis hin zur „Kriegs­tüch­tig­keit“ auch gar nicht denk­bar. Wenn das heißt, hin­ter Errun­gen­schaf­ten wie Zwangs­ar­beits­ver­bot oder Exis­tenz­mi­ni­mum zurück­zu­fal­len, dann soll es so sein. Haupt­sa­che, die Brand­mau­er hält.

Vin­cent Czies­la in UZ vom 10. Janu­ar 2025