Schril­le Wor­te, kras­se Taten

„Sün­den­fall“ und „Höl­len­tor“ – CDU macht, was alle machen, aber mit den Falschen

Es ist ein Wahl­kampf zum Mit­ma­chen. Selbst die Geis­ter der Ver­gan­gen­heit, nament­lich die ehe­ma­li­ge Bun­des­kanz­le­rin Ange­la Mer­kel (CDU), mel­den sich aus der Ver­sen­kung, damit anschlie­ßend Trans­pa­ren­te mit der Auf­schrift „Fritz, hör auf Mut­ti!“ durch Ber­lin getra­gen wer­den kön­nen. Hun­dert­tau­sen­de waren in den ver­gan­ge­nen Tagen auf der Stra­ße. In zahl­rei­chen Städ­ten wur­de dage­gen pro­tes­tiert, dass die CDU bei zwei Bun­des­tags­ab­stim­mun­gen auf die Unter­stüt­zung der AfD gesetzt hatte.

Von einem „his­to­ri­schen Tabu­bruch“ war die Rede. Der SPD-Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de Rolf Müt­zenich befürch­te­te gar, dass die „Lebens­ader der Demo­kra­tie beschä­digt“ sei, und mach­te der CDU ein Ange­bot: „Das Tor zur Höl­le kön­nen wir gemein­sam schlie­ßen.“ Das von der CDU ein­ge­brach­te „Zustrom­be­gren­zungs­ge­setz“ kön­ne man bera­ten, aber „nur zusam­men mit all den not­wen­di­gen und wich­ti­gen Sicher­heits­ge­set­zen und den Geset­zen zur Gemein­sa­men Euro­päi­schen Asyl­po­li­tik, die SPD und Grü­ne ein­ge­bracht haben“, hieß es in einer Pres­se­mit­tei­lung der SPD-Fraktion.

Kla­rer hät­te die Kanz­ler­par­tei nicht aus­drü­cken kön­nen, dass es ihr nicht um inhalt­li­che Unter­schie­de geht. Der „Sün­den­fall“ besteht eben nicht dar­in, dass die CDU eine ras­sis­ti­sche Asyl­po­li­tik vor­an­trei­ben will. Immer­hin hat auch die Ampel schon flei­ßig dar­an gear­bei­tet, die letz­ten Res­te des Asyl­rechts zu besei­ti­gen. Dank des „Gemein­sa­men Euro­päi­schen Asyl­sys­tems“ (GEAS) wer­den Inter­nie­rungs­la­ger an den EU-Gren­zen gebaut. SPD und Grü­ne haben dafür gesorgt, dass die Zwangs­jobs für Asyl­be­wer­ber aus­ge­wei­tet wer­den. Sie haben mit ihrer Kriegs­po­li­tik die sozia­le Kri­se ver­schärft, die Mas­sen für die Auf­rüs­tung zah­len las­sen und mit dem Ver­spre­chen von „Abschie­bun­gen im gro­ßen Stil“ vor­ge­gau­kelt, dass eine zu hohe Zahl an Migran­ten schuld an der Mise­re sei.

Was die CDU jetzt ver­an­stal­tet ist die kon­se­quen­te Fort­set­zung die­ser rot-grü­nen Poli­tik. Dass deren Ver­tre­ter kei­nen Ände­rungs­be­darf sehen, mach­te auch Außen­mi­nis­te­rin Anna­le­na Baer­bock (Grü­ne) am Frei­tag im Bun­des­tag deut­lich. In nur zwei Fra­gen fass­te sie ihr Unver­ständ­nis zusam­men: „Was wol­len Sie, was GEAS nicht leis­tet?“ und „Wel­che Bil­der hat unser Land an ganz Euro­pa und vor allen Din­gen an Mos­kau (…) gesendet?“

Über die Bot­schaft an Mos­kau hat­te sich auch schon die CDU Gedan­ken gemacht. Im Antrag für einen „5‑Punk­te-Plan“ zur Migra­ti­on war der Schul­di­ge schnell aus­ge­macht. „Bis heu­te instru­men­ta­li­siert der rus­si­sche Dik­ta­tor Wla­di­mir Putin Migra­ti­on als hybri­de Waf­fe“, hieß es da. Unfrei­wil­lig komisch, dass im glei­chen Antrag die AfD zum „poli­ti­schen Geg­ner“ erklärt wur­de, weil sie „Ver­schwö­rungs­theo­rien in Umlauf“ brin­ge. Kein Auf­schrei ging durch die Medi­en, weil schutz­su­chen­de Men­schen zu „Putins Waf­fe“ umge­deu­tet wur­den. Bei ras­sis­ti­scher Kriegs­pro­pa­gan­da drückt man ein Auge zu. Bei ras­sis­ti­scher Kriegs­po­li­tik sowieso.

Hun­der­te Mil­li­ar­den hat der deut­sche Staat in den ver­gan­ge­nen Jah­ren zur Ver­fü­gung gestellt, um hoch­zu­rüs­ten und Krieg zu füh­ren. Mit deut­schen Waf­fen wer­den paläs­ti­nen­si­sche Wohn­häu­ser ange­grif­fen und wird das Töten in der Ukrai­ne ver­län­gert. Mit deut­scher Unter­stüt­zung wer­den Regie­run­gen besei­tigt und Regio­nen ins Cha­os gestürzt. Auch dank deut­scher Mit­wir­kung berei­tet die NATO den gro­ßen Feld­zug gegen Russ­land, Chi­na und eine gerech­te­re Welt­ord­nung vor. Mil­lio­nen flie­hen vor den Krie­gen des US-ame­ri­ka­ni­schen und des deut­schen Impe­ria­lis­mus, vor der ver­nich­ten­den Aus­beu­tung und vor den nicht mehr zu ertra­gen­den Lebensbedingungen.

Die Min­der­heit, die es bis nach Deutsch­land schafft, wird zur poli­ti­schen und öko­no­mi­schen Ver­schie­be­mas­se, nach Ver­wert­bar­keit und Wohl­ge­fal­len sor­tiert. Und sie wer­den genutzt, um den Zorn der Bevöl­ke­rung abzu­len­ken – weg vom Kriegs- und Kri­sen­kurs, der Jobs ver­nich­tet, die Infla­ti­on treibt und die Daseins­vor­sor­ge zerstört.

Die Demons­tra­tio­nen gegen den „Sün­den­fall“ der CDU blei­ben als Signal gegen Ras­sis­mus wir­kungs­los, solan­ge sie die­se Zusam­men­hän­ge aus­blen­den und sich von eben den Par­tei­en ver­ein­nah­men las­sen, die für die ras­sis­ti­sche Poli­tik der ver­gan­ge­nen Jah­re ver­ant­wort­lich sind. AfD und CDU mögen die men­schen­ver­ach­tends­ten Reden hal­ten – die rea­le Bom­bar­die­rung von Kran­ken­häu­sern, Schu­len und Wohn­vier­teln haben zuletzt ande­re besorgt.

Vin­cent Cieszla in UZ vom 7. Febru­ar 2025