„Hygie­ne­de­mos“ und Verschwörungsmythen

Bizar­re Coronarebellen

„Ich tra­ge die­se Mas­ke nicht frei­wil­lig, ich wer­de dazu gezwun­gen.“ T‑Shirts mit die­sem Auf­druck, die bei der „Hygie­ne­de­mo“ auf dem Cann­stat­ter Wasen am 16. Mai häu­fig zu sehen sind, signa­li­sie­ren wut­bür­ger­li­ches Unbe­ha­gen. Die Wut der auf­müp­fi­gen Staats­bür­ger rich­tet sich gegen die Mer­kel-Regie­rung, die „rei­ne Panik­ma­che“ betrei­be, wodurch sie eine „Coro­na-Hys­te­rie“ ent­facht habe. Da das Coro­na-Virus „nicht so schlimm“ sei, müs­se die Regie­rung der Frau Mer­kel einen schlim­men Plan ver­fol­gen. Sie wol­le „uns für dumm ver­kau­fen“; hin­ter ihren Coro­na-Maß­nah­men ste­cke „viel­leicht etwas ande­res“. (ZEIT-ONLINE, 17. 5. 2020)

Fak­ten­re­sis­ten­te Coro­na-Ver­harm­lo­ser, die an „Hygie­ne­de­mos“ in Stutt­gart und anders­wo teil­neh­men, glau­ben an per­so­ni­fi­zie­ren­de Ver­schwö­rungs­my­then. Dar­um sind sie – anders als etli­che Leu­te von der Par­tei Die Lin­ke zu mei­nen schei­nen – kei­ne Bünd­nis­part­ner für mar­xis­ti­sche Anti­ka­pi­ta­lis­ten. Statt in eine Quer­front ein­ge­baut zu wer­den, müss­ten die bizar­ren Coro­na-Wut­bür­ger sich zual­ler­erst dar­über auf­klä­ren las­sen wol­len, dass das staat­li­che Herr­schafts­per­so­nal unter Mer­kels Füh­rung nicht zu viel, son­dern zu wenig gegen die real exis­tie­ren­de Coro­na-Pan­de­mie unter­nimmt. Um nicht län­ger unterm Bann des Irra­tio­na­len zu ste­hen, gilt es für die ver­wirr­ten Wut­bür­ger zu begrei­fen, dass der herr­schen­de Staats­ap­pa­rat kei­nes­wegs ver­schwö­rungs­mä­ßig, son­dern gemäß der kapi­ta­lis­ti­schen Pro­fit­lo­gik han­delt: Weil es ihm infol­ge­des­sen um die Erhal­tung der Funk­ti­ons­tüch­tig­keit des kapi­ta­lis­ti­schen Markt­wirt­schafts­sys­tems geht, beinhal­tet der staat­lich ver­ord­ne­te „Shut­down“ ledig­lich ein gebrems­tes Her­un­ter­fah­ren der „Wirt­schaft“, so dass in den Pro­duk­ti­ons­stät­ten zahl­rei­che Arbeits­kräf­te zwecks Mehr­wert­ab­pres­sung einem hohen Gesund­heits­ri­si­ko aus­ge­setzt werden.

Anknüp­fungs­punkt für eine sol­che anti­ka­pi­ta­lis­ti­sche Sys­tem­kri­tik, die bei Gegen­de­mons­tra­tio­nen vor­ge­tra­gen wird, könn­ten aller­dings die Befürch­tun­gen sein, die quer­den­ken­de Coro­nare­bel­len im Hin­blick auf den Abbau demo­kra­ti­scher Grund­rech­te umtreiben.

Dis­kus­si­ons­bei­trag

Franz Anger