Fäl­scher im Diens­te kom­men­der Aggression

Erklä­rung des EU Par­la­ments zum zwei­ten Weltkriegs

2020 wur­de der 75. Jah­res­tag des Endes des Zwei­ten Welt­krie­ges began­gen. Die Fort­schritts­par­tei des werk­tä­ti­gen Vol­kes Zyperns (AKEL) hat sich zu die­sem Anlass an befreun­de­te Par­tei­en gewandt mit der Bit­te, ihr Arti­kel zukom­men zu las­sen, die den Ver­lauf und die heu­ti­ge Bewer­tung die­ses Krie­ges aus mar­xis­ti­scher Sicht beleuch­ten. Die DKP ist die­sem Ersu­chen nach­ge­kom­men. Der nach­fol­gen­de Text wird im theo­re­ti­schen Organ der AKEL veröffentlicht.

„Den rus­si­schen Kom­mu­nis­mus auf die glei­che mora­li­sche Ebe­ne mit dem Nazi­fa­schis­mus zu stel­len, weil bei­de tota­li­tär sind, ist bes­ten­falls ober­fläch­lich, im schlimms­ten Fall ist es Faschis­mus. Wer auf die­ser Gleich­heit besteht, kann kein Demo­krat sein; in Wahr­heit und in sei­nem Her­zen ist er bereits Faschist und wird den Faschis­mus sicher­lich mit Unauf­rich­tig­keit und zum Schein bekämp­fen, aber mit völ­li­gem Hass nur den Kommunismus.“

Tho­mas Mann (Lite­ra­tur­no­bel­preis­trä­ger, bür­ger­li­cher Demo­krat und Antifaschist)

Der His­to­ri­ker Leo Schwarz merk­te kürz­lich an, Geschich­te sei „eben vor allem eine Wis­sen­schaft, die eine poli­ti­sche Nach­fra­ge bedient.“[1]Die­se The­se erfährt die denk­bar deut­lichs­te Bestä­ti­gung durch die vom Euro­päi­schen Par­la­ment ver­ab­schie­de­te Ent­schlie­ßung „Zur Bedeu­tung des euro­päi­schen Geschichts­be­wusst­seins für die Zukunft Euro­pas“[2]. Dem hoch­tra­ben­den Titel zum Trotz demons­triert das besag­te Doku­ment jedoch viel­mehr geschicht­li­che Bewusst­lo­sig­keit, die einen im Hin­blick auf die Zukunft Euro­pas nur mit gro­ßer Sor­ge erfül­len kann. Inhalt­li­cher Aus­gangs­punkt ist der deutsch-sowje­ti­sche Nicht­an­griffs­ver­trag vom 23. August 1939. Nach­dem in Erin­ne­rung geru­fen wur­de, dass man bereits am 23. Sep­tem­ber 2008 den Jah­res­tag der Ver­trags­un­ter­zeich­nung als „Euro­päi­schen Tag des Geden­kens an die Opfer von Sta­li­nis­mus und Natio­nal­so­zia­lis­mus“ pro­kla­mier­te, wird die dras­ti­sche Ver­ur­tei­lung des deutsch-sowje­ti­schen Ver­tra­ges erneu­ert und mit der Behaup­tung unter­legt, auf die­se Wei­se hät­ten die bei­den Staa­ten „die Wei­chen für den Zwei­ten Welt­krieg“ gestellt. Man ver­steigt sich sogar zu der The­se, der Zwei­te Welt­krieg sei als „unmit­tel­ba­re Fol­ge“ des „Hit­ler-Sta­lin-Pak­tes“ aus­ge­bro­chen. Die Mit­glieds­staa­ten der EU wer­den auf­ge­for­dert, „eine ein­deu­ti­ge und auf Grund­sät­zen beru­hen­de Beur­tei­lung der Ver­bre­chen und Akte von Aggres­si­on vor­zu­neh­men, die von den 

tota­li­tä­ren kom­mu­nis­ti­schen Regi­men und dem natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Régime began­gen wur­den.“ Beson­ders wird eine ent­spre­chen­de Gestal­tung der Schul­bü­cher in den Mit­glieds­staa­ten ver­langt. Auch der Auf­ruf zum Bil­der­sturm fehlt nicht, denn es gibt „noch immer Denk­mä­ler und Gedenk­stät­ten, die tota­li­tä­re Régime ver­herr­li­chen“. Dann folgt der Brü­cken­schlag in die Gegen­wart: Russ­land ist so lan­ge kein demo­kra­ti­scher Staat, „wie die Regie­rung, die poli­ti­sche Éli­te und die poli­ti­sche Pro­pa­gan­da nicht nach­las­sen, die kom­mu­nis­ti­schen Ver­bre­chen zu ver­harm­lo­sen und das tota­li­tä­re Sowjet­re­gime zu ver­herr­li­chen“. Es ergeht die Auf­for­de­rung an die rus­si­sche Gesell­schaft, „ihre tra­gi­sche Ver­gan­gen­heit auf­zu­ar­bei­ten“. Die der rus­si­schen Füh­rung unter­stell­ten Geschichts­fäl­schun­gen wer­den bewer­tet als „gefähr­li­che Kom­po­nen­te des Infor­ma­ti­ons­kriegs gegen das demo­kra­ti­sche Euro­pa, der auf die Spal­tung des Kon­ti­nents abzielt“. Die Ent­schlie­ßung mahnt hier ent­schlos­se­ne Gegen­wehr an. Es geht um nichts weni­ger als um „die Stär­kung der Wider­stands­kraft Euro­pas gegen die aktu­el­len Bedro­hun­gen von außen.“

Womit haben wir es zu tun? Zunächst fällt der impe­ri­al-unver­schäm­te Ton­fall auf, in dem man glaubt, der Staats­füh­rung der Rus­si­schen Föde­ra­ti­on Anwei­sun­gen ertei­len zu kön­nen hin­sicht­lich des Umgangs mit der eige­nen Lan­des­ge­schich­te. Der deutsch-sowje­ti­sche Nicht­an­griffs­ver­trag erfährt hier eine Behand­lung, wie sie für bür­ger­li­che Geschichts­schrei­bung, soweit sie den Real­so­zia­lis­mus Ost­eu­ro­pas berührt, typisch gewor­den ist. Das betref­fen­de Ereig­nis wird aus dem Kon­text her­aus­ge­ris­sen und unter Aus­blen­dung der Vor­ge­schich­te und kon­kre­ten Umstän­den zu einer gegen­warts­po­li­ti­schen Waf­fe umge­münzt. Im hier behan­del­ten Fall läuft dies dar­auf hin­aus, den Faschis­mus im Euro­pa des zwan­zigs­ten Jahr­hun­derts mit der sozia­lis­ti­schen Sowjet­uni­on auf eine Stu­fe zu stel­len. Bei­de Sei­ten wer­den als glei­cher­ma­ßen aggres­siv und ver­bre­che­risch, in letz­ter Kon­se­quenz als fak­tisch wesens­ver­wandt beschrieben.

Im Fol­gen­den soll der Fra­ge nach­ge­gan­gen wer­den, ob die­se Ver­wandt­schaft im geschicht­li­chen Ver­lauf zu fin­den ist – oder ob nicht Nähen und Sym­pa­thien ganz ande­rer Art auf dem Weg zum Zwei­ten Welt­krieg sowie in sei­nem Ver­lauf eine Rol­le gespielt haben.

Wer meint, im Jah­re 1939 hät­ten Sta­lin und Hit­ler plötz­lich ihre Lie­be zuein­an­der ent­deckt und dar­auf­hin ein Kom­plott zur Ent­fes­se­lung eines Welt­krie­ges geschmie­det, dem ist zu emp­feh­len, sich die Ent­wick­lung zwi­schen­staat­li­cher Bezie­hun­gen in Euro­pa ab 1933 anzu­se­hen. Die außen­po­li­ti­sche Per­spek­ti­ve der NSDAP war von Beginn an auf die Revi­si­on des Ver­sail­ler Ver­tra­ges und damit auf Wie­der­her­stel­lung und sogar Erwei­te­rung der 1918 ver­lo­ren gegan­ge­nen Welt­macht­stel­lung aus­ge­rich­tet. Beson­ders stach die schar­fe Beto­nung der ver­meint­li­chen Not­wen­dig­keit der Erobe­rung von „Lebens­raum“ im Osten hervor.

Es ist die Fra­ge zu stel­len, ob der UdSSR eine ver­gleich­ba­re außen­po­li­ti­sche Aggres­si­vi­tät attes­tiert wer­den kann. Zu Beginn der Drei­ßi­ger­jah­re schick­te die UdSSR sich an, ver­mit­tels einer unter gro­ßen Opfern durch­ge­führ­ten Indus­tria­li­sie­rung ihre aus der lan­gen Zeit des Zaren­rei­ches geerb­te Rück­stän­dig­keit hin­ter sich zu las­sen. Die im Zei­chen der Kol­lek­ti­vie­rung durch­ge­führ­te Umwäl­zung auf dem Lan­de führ­te in Tei­len des Lan­des zu bür­ger­kriegs­ähn­li­chen Zustän­den. Der mar­xis­ti­sche Phi­lo­soph Dome­ni­co Losur­do sprach in die­sem Zusam­men­hang von einer „zwei­ten Revo­lu­ti­on“[1]. Die­ser Gewalt­marsch aus der Unter­ent­wick­lung her­aus fand ohne die Hil­fe befreun­de­ter Staa­ten statt, viel­mehr in einem inter­na­tio­na­len Umfeld, das der Sowjet­macht fast durch­gän­gig feind­lich geson­nen war. Kurz nach der Okto­ber­re­vo­lu­ti­on waren Trup­pen der west­li­chen „Demo­kra­tien“ in das bereits durch den Ers­ten Welt­krieg aus­ge­blu­te­te Land ein­ge­fal­len, um den kon­ter­re­vo­lu­tio­nä­re Ter­ror der Wei­ßen Gar­den gegen die Sowjet­macht zu unter­stüt­zen. Zu Beginn der Zwan­zi­ger­jah­re war die Kon­ter­re­vo­lu­ti­on besiegt, aber zu einem ent­setz­li­chen Preis. Inmit­ten von Tod und Zer­stö­rung muss­te der Auf­bau begon­nen wer­den. Konn­te ein Land nach den Erfah­run­gen von Welt­krieg, Bür­ger­krieg und Inter­ven­ti­ons­krieg ein Inter­es­se an neu­en Waf­fen­gän­gen haben? Was wäre ande­res zu erwar­ten gewe­sen als die Zer­stö­rung des gera­de unter größ­ten Mühen Geschaf­fe­nen? Der bür­ger­li­che deut­sche His­to­ri­ker Man­fred Hil­der­mei­er, der eine umfang­rei­che Geschich­te der UdSSR vor­leg­te, führt in die­ser zur außen­po­li­ti­schen Ori­en­tie­rung der Sowjet­macht aus: „(…) die Außen­po­li­tik Sta­lins ging wie die Lenins davon aus, dass das Mut­ter­land des Sozia­lis­mus von kapi­ta­lis­ti­schen Fein­den umzin­gelt sei. (…) Die UdSSR tue am bes­ten dar­an, sich aus den ver­meint­lich unaus­weich­li­chen krie­ge­ri­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen im geg­ne­ri­schen Lager her­aus­zu­hal­ten. (…), eines woll­te er (Anm.: Sta­lin) nach ganz über­wie­gen­der Mei­nung nicht: einen Krieg anzet­teln. So wird man davon aus­ge­hen müs­sen, dass Sta­lin sein Land wirt­schaft­lich durch die for­cier­te Indus­tria­li­sie­rung auch in die Lage zu ver­set­zen such­te, den für unver­meid­lich gehal­te­nen End­kampf gegen den Kapi­ta­lis­mus sieg­reich zu bestehen, und im Umfeld wach­sen­der inter­na­tio­na­ler Span­nung seit 1937 mehr und mehr Res­sour­cen in die Rüs­tung und den per­so­nel­len Aus­bau der Armee lenk­te. Zugleich war er aber nach Kräf­ten dar­um bemüht, die­sen Ernst­fall so lan­ge wie mög­lich hin­aus­zu­schie­ben.“[2]

Hil­der­mei­er als His­to­ri­ker ohne pro­kom­mu­nis­ti­sche Sym­pa­thien stellt also eine defen­si­ve Gene­ral­li­nie sowje­ti­scher Außen­po­li­tik fest – ein dia­me­tra­ler Gegen­satz zur revan­chis­ti­schen Aus­rich­tung deut­scher Außen­po­li­tik ab 1933. Sta­lins bekann­ter Bio­graf Isaac Deut­scher, der 1932 als Oppo­nent der dama­li­gen sowje­ti­schen Füh­rung aus der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei Polens aus­ge­schlos­sen wur­de, attes­tiert dem von ihm sonst scharf ange­grif­fe­nen Gene­ral­se­kre­tär: „Aber, wie dem auch immer gewe­sen sein mag, man hat doch den gerecht­fer­tig­ten Ein­druck, dass Sta­lin in den Jah­ren 1935 bis 1937 und auch noch spä­ter ernst­haft und ehr­lich eine Koali­ti­on gegen Hit­ler auf die Bei­ne brin­gen woll­te. (…) Sein gan­zes Bemü­hen rich­te­te sich jetzt dar­auf, die West­mäch­te zu über­zeu­gen, dass sie fes­te Ver­pflich­tun­gen ein­ge­hen müs­sen, oder sie zumin­dest in eine Lage hin­ein­zu­ma­nö­vrie­ren, in der sie sol­chen Ver­pflich­tun­gen nicht mehr aus dem Wege gehen konn­ten. Aber hier erwar­te­te ihn eine Ent­täu­schung nach der ande­ren.“[3]
Groß­bri­tan­ni­en und Frank­reich hat­ten schon unmit­tel­bar nach der Gro­ßen Sozia­lis­ti­schen Okto­ber­re­vo­lu­ti­on im Zuge des Inter­ven­ti­ons­krie­ges ihre Feind­schaft gegen­über der Sowjet­macht mehr als deut­lich bewie­sen, und so bekommt auch ihr 

Ver­hal­ten Deutsch­land gegen­über im Ver­lauf der Drei­ßi­ger­jah­re einen Sinn. Hit­ler konn­te die Wie­der­auf­rüs­tung for­cie­ren, die all­ge­mei­ne Wehr­pflicht wie­der ein­füh­ren und in das ent­mi­li­ta­ri­sier­te Rhein­land ein­mar­schie­ren, ganz zu schwei­gen von der Zer­schla­gung des par­la­men­ta­ri­schen Sys­tems in Deutsch­land sowie von dem blu­ti­gen Ter­ror gegen poli­ti­sche Geg­ner und die jüdi­sche Bevöl­ke­rung. Nichts von dem ver­an­lass­te Frank­reich oder Groß­bri­tan­ni­en zu einer kla­ren Front­stel­lung gegen Nazi­deutsch­land. Hit­ler schien als anti­kom­mu­nis­ti­scher Ket­ten­hund ein­fach zu brauch­bar, als dass man ihn hät­te brem­sen wol­len. Viel­leicht wür­de ihm das gelin­gen, wor­an Wei­ße Gar­den und Inter­ven­ti­ons­trup­pen nach dem Roten Okto­ber geschei­tert waren. Der Rea­li­täts­sinn gebot der Füh­rung in Mos­kau, sich all­mäh­lich von der Idee eines öst­lich-west­li­chen Blocks gegen Hit­ler zu ver­ab­schie­den – oder zumin­dest auch ande­re Optio­nen zu prüfen.

Am 17. Juli 1936 putsch­ten faschis­ti­sche Gene­rä­le in Spa­ni­en unter der Füh­rung von Fran­cis­co Fran­co gegen die Regie­rung der Repu­blik. Der dar­auf fol­gen­de Krieg, der ent­ge­gen sei­ner land­läu­fi­gen Bezeich­nung kaum „Bür­ger­krieg“ genannt wer­den kann, warf ein bezeich­nen­des Licht auf die außen­po­li­ti­schen Prä­fe­ren­zen Frank­reichs und Groß­bri­tan­ni­ens. An der Spit­ze der Repu­blik stand eine Volks­front, die von libe­ra­len Demo­kra­ten bis hin zur Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei Spa­ni­ens (PCE) reich­te. Das Pro­gramm der Volks­front war fort­schritt­lich-demo­kra­tisch. Allein schon im Hin­blick auf die ande­ren betei­lig­ten Part­ner konn­te die PCE nicht dar­an den­ken, in die­ser Situa­ti­on den Über­gang zum Sozia­lis­mus auf die Tages­ord­nung zu set­zen. Auch die UdSSR hielt sich zunächst zurück und heg­te kei­ner­lei Ambi­tio­nen einer „Sowje­ti­sie­rung“ Spa­ni­ens.[1] Die bri­ti­sche und fran­zö­si­sche Regie­rung hiel­ten den Grund­satz der „Nicht­ein­mi­schung“ hoch. Die Situa­ti­on in Spa­ni­en änder­te sich jedoch grund­le­gend mit dem mili­tä­ri­schen Ein­grei­fen Deutsch­lands und Ita­li­ens zuguns­ten der Fran­co-Faschis­ten. Aus dem Kon­flikt war schon nach kur­zer Zeit eine inter­na­tio­na­le Ange­le­gen­heit gewor­den. Die Ver­ant­wort­li­chen in Paris und Lon­don küm­mer­te dies aller­dings wenig. Ihre Losung der „Nicht­ein­mi­schung“ hat­te sich in eine Aus­flucht ver­wan­delt, um Spa­ni­en dem Faschis­mus aus­zu­lie­fern. Es sei dar­an erin­nert, dass es nicht dar­um ging, einer Sowjet­re­pu­blik zu Hil­fe zu kom­men, son­dern einer grund­sätz­lich immer noch bür­ger­li­chen Demo­kra­tie mit einer Regie­rung, deren Legi­ti­ma­ti­on außer Fra­ge stand. Es blieb der UdSSR über­las­sen, hel­fend an die Sei­te der Spa­ni­schen Repu­blik zu tre­ten, was den Kriegs­ver­lauf frei­lich nicht mehr zu wen­den ver­moch­te. Am 1. April 1939 konn­te Gene­ral Fran­co sei­nen Sieg und das Ende des Krie­ges ver­kün­den. Frank­reich und Groß­bri­tan­ni­en hat­ten ihren Bei­trag geleis­tet, dass Spa­ni­en für die nächs­ten 37 Jah­re unter der Ter­ror­herr­schaft der Faschis­ten lei­den muss­te. Für Hit­ler hat­ten die Kriegs­ver­bre­chen des von ihm nach Spa­ni­en ent­sand­ten Luft­waf­fen­ver­ban­des „Legi­on Con­dor“ eben­so wenig Kon­se­quen­zen, wie der schon am 13. März 1938 erfolg­te Anschluss Öster­reichs an das Deut­sche Reich. Der Opfe­rung der Spa­ni­schen Repu­blik folg­te der Ver­rat an der Tsche­cho­slo­wa­kei. Der rus­si­sche His­to­ri­ker Oleg Chlewn­juk führt dazu aus: „In der zwei­ten Hälf­te der 

Drei­ßi­ger­jah­re bevor­zug­ten es die West­mäch­te, Hit­ler zu besänf­ti­gen, anstatt sich mit Sta­lin zu ver­bün­den, ein Trend, der mit dem Münch­ner Abkom­men sei­nen Höhe­punkt erreich­te: Am 30. Sep­tem­ber 1938 schlos­sen die Regie­rungs­chefs von Groß­bri­tan­ni­en und Frank­reich, Nevil­le Cham­ber­lain und Edouard Dala­di­er, ein Abkom­men mit Hit­ler und Mus­so­li­ni, das das über­wie­gend von einer deutsch­spra­chi­gen Bevöl­ke­rung bewohn­te tsche­cho­slo­wa­ki­sche Sude­ten­land an Deutsch­land aus­lie­fer­te. Die Tsche­cho­slo­wa­kei wur­de gezwun­gen, dem Ver­trag zuzu­stim­men, und die Inter­es­sen der Sowjet­uni­on wur­den ein­fach igno­riert, obwohl sie und Frank­reich zuvor einen Bei­stands­pakt mit der Tsche­cho­slo­wa­kei unter­zeich­net hat­ten. Damit war Sta­lin von der euro­päi­schen Groß­macht­po­li­tik prak­tisch aus­ge­schlos­sen.“[1] Chlewn­juks Arbeit lässt eine strik­te Ori­en­tie­rung an der anti­kom­mu­nis­ti­schen Tota­li­ta­ris­mus­dok­trin erken­nen. Umso bemer­kens­wer­ter erscheint sei­ne Bewer­tung des Ver­hal­tens der West­mäch­te in Mün­chen. Den Regie­run­gen Groß­bri­tan­ni­ens und Frank­reichs beschei­nigt er, dass sie auf ihre Poli­tik „kaum stolz“[2] sein konn­ten. Nicht uner­wähnt blei­ben soll­te, dass sowohl Polen als auch Ungarn die sich mit dem Mün­che­ner Abkom­men bie­ten­de Gele­gen­heit ergrif­fen und ihrer­seits tsche­cho­slo­wa­ki­sches Gebiet annek­tier­ten. Hit­ler hat­te die von Lon­don und Paris aus­ge­hen­den Signa­le der ver­steck­ten Kum­pa­nei gut ver­stan­den und konn­te am 15. März 1939 unge­fähr­det in Tsche­chi­en ein­mar­schie­ren. Die Slo­wa­kei wur­de zu einem „unab­hän­gi­gen“ kle­ri­kal-faschis­ti­schen Staats­we­sen umgebaut.

Doch die­ser gan­ze Vor­lauf fin­det in der Ent­schlie­ßung des Euro­päi­schen Par­la­ments kei­ner­lei Platz. Über den deutsch-sowje­ti­schen Nicht­an­griffs­ver­trag wird dort gespro­chen, damit über die Schan­de von Mün­chen geschwie­gen wer­den kann.

Auf sich allein gestellt, war die sowje­ti­sche Füh­rung nun gezwun­gen, Zeit zu gewin­nen, um sich auf den zu erwar­ten­den Krieg mit Deutsch­land vor­zu­be­rei­ten. Spe­ku­la­tio­nen, man hät­te dabei an eine dau­er­haf­te „Ach­se Mos­kau-Ber­lin“ gedacht, kön­nen wohl ins Reich der Legen­de ver­wie­sen wer­den. Der Ver­trag mit dem Deut­schen Reich war aus sowje­ti­scher Sicht kei­nes­wegs die ers­te Wahl. Der Gene­ral­se­kre­tär der Kom­mu­nis­ti­schen Inter­na­tio­na­le Geor­gi Dimitroff erklär­te, man hät­te lie­ber einen Ver­trag mit den „soge­nann­ten demo­kra­ti­schen Staa­ten“[3] geschlos­sen. Es fan­den auch par­al­le­le Ver­hand­lun­gen mit Groß­bri­tan­ni­en und Frank­reich statt, die aller­dings von dort ver­schleppt und hin­ter­trie­ben wur­den.[4]

Zur Bele­gung der Ver­werf­lich­keit des deutsch-sowje­ti­schen Ver­tra­ges wird gern auf sei­ne Bestim­mun­gen in Bezug auf Polen ver­wie­sen. In der Tat gibt es einen Pas­sus, der die wei­te­re Exis­tenz des pol­ni­schen Staa­tes als eine offe­ne Fra­ge behan­delt. Der mar­xis­ti­sche His­to­ri­ker Kurt Goss­wei­ler stell­te hier­zu fest: „Es kann kein Zwei­fel bestehen, dass der Anspruch, über das Schick­sal eines ande­ren Staa­tes zu bestim­men, in die­sem Fall wie auch in dem des Mün­che­ner Abkom­mens, vom völ­ker­recht­li­chen Stand­punkt aus unhalt­bar ist und daher zu Recht als Ver­let­zung des Völ­ker­rechts beur­teilt wird. Für eine poli­ti­sche Beur­tei­lung die­ser Pas­sa­ge des Zusatz­ab­kom­mens reicht eine sol­che Fest­stel­lung indes­sen nicht aus.[5] Es darf nicht ver­ges­sen wer­den, dass Polen 1921 west­li­che Tei­le der Ukrai­ne und Weiß­russ­lands annek­tiert hat­te. Der Sowjet­macht blieb in ihrem kriegs­ge­schwäch­ten Zustand nicht ande­res übrig, als dies im Ver­trag von Riga zu akzep­tie­ren. Als die Rote Armee am 17. Sep­tem­ber 1939 in eben die­se Gebie­te ein­rück­te, war der pol­ni­sche Staat unter den deut­schen Mili­tär­schlä­gen bereits zusam­men­ge­bro­chen. Auch außer­halb der UdSSR wur­de dies teil­wei­se als Kor­rek­tur eines his­to­ri­schen Unrechts akzep­tiert.[6] Bemer­kens­wer­ter­wei­se war es gera­de Chur­chill, der am 1. Okto­ber 1939 das Vor­rü­cken der Roten Armee als „für die Sicher­heit Russ­lands gegen die deut­sche Gefahr abso­lut not­wen­dig“[7] bezeichnete.

Auch in Bezug auf die Lan­dung der west­al­li­ier­ten Streit­kräf­te in der Nor­man­die am 6. Juni 1944 sind schon seit län­ge­rem Bemü­hun­gen erkenn­bar, „Neu­in­ter­pre­ta­tio­nen“ in anti­so­wje­ti­schem Geist vor­zu­neh­men. Über Jahr­zehn­te galt es als unbe­streit­ba­re Tat­sa­che, dass die Rote Armee in Sta­lin­grad 1942/ 1943 die ent­schei­den­de Wen­de des Krie­ges erzwang. In der anschlie­ßen­den Pan­zer­schlacht bei Kursk im Juli/​ August 1943 erlitt die Wehr­macht eine wei­te­re ver­hee­ren­de Nie­der­la­ge, mit der die mili­tä­ri­sche Initia­ti­ve an der Ost­front defi­ni­tiv auf die sowje­ti­schen Streit­kräf­te über­ging. Hier­zu gibt es bestä­ti­gen­de Ein­schät­zun­gen aus der deut­schen Gene­ra­li­tät. Da aber nicht sein kann, was nicht sein darf, wird seit eini­gen Jah­ren mit wach­sen­der Inten­si­tät ver­sucht, den Wen­de­punkt des Krie­ges auf den 6. Juni 1944 zu ver­le­gen. Bereits am 1. Juni 2004 erläu­ter­te der für das Mili­tär­ge­schicht­li­che For­schungs­amt Pots­dam täti­ge His­to­ri­ker Rolf-Die­ter Mül­ler, dass der „D‑Day“ – und nicht Sta­lin­grad – als Wen­de­punkt des Krie­ges zu gel­ten habe. Die Begrün­dung fällt mit dem Hin­weis, die Wehr­macht habe in der Nor­man­die schwe­re­re Ver­lus­te als in der Stadt an der Wol­ga erlit­ten, dürf­tig aus.[8] Ver­lust­zah­len sind ein wich­ti­ges Kri­te­ri­um zur Bewer­tung einer mili­tä­ri­schen Ope­ra­ti­on, aber ganz sicher nicht das ein­zi­ge. Beach­tet wer­den muss die stra­te­gi­sche Gesamt­si­tua­ti­on an den ver­schie­de­nen Fron­ten. Der Erfolg der West­al­li­ier­ten in der Nor­man­die kann schlecht los­ge­löst von der Tat­sa­che betrach­tet wer­den, wel­che enor­men Kapa­zi­tä­ten der Wehr­macht an der Ost­front bereits ver­nich­tet oder noch gebun­den waren. Zu Sinn und Zweck sei­ner Kon­struk­ti­on gibt Mül­ler aller­dings einen inter­es­san­ten Hin­weis: „Die Lan­dung war der Erfolg einer inter­na­tio­na­len Koali­ti­on demo­kra­ti­scher Staa­ten und der Beginn des ame­ri­ka­ni­schen Enga­ge­ments in Euro­pa, das bis heu­te andau­ert.“[9] Es geht also um die Not­wen­dig­keit eines Grün­dungs­my­thos für die „west­li­che Wer­te­ge­mein­schaft“, oder, um es mit Dimitroff zu sagen, der „soge­nann­ten demo­kra­ti­schen Staa­ten“. Die heu­ti­ge aggres­si­ve Front­stel­lung gegen die Rus­si­sche Föde­ra­ti­on soll durch ein ent­spre­chend zurecht fri­sier­tes Geschichts­bild unter­mau­ert wer­den. Mül­ler zufol­ge hat­te die Rote Armee mit dem 6. Juni 1944 offen­bar gar nichts zu tun. Der Kriegs­ver­lauf wird hier in Ein­zel­tei­le zer­hackt, denen jede Bezie­hung zuein­an­der zu feh­len scheint. So tri­um­phiert der poli­ti­sche Wunsch über die his­to­ri­schen Tat­sa­chen. Es sei klar gestellt, dass sich jede Her­ab­wür­di­gung des Hel­den­tums der Sol­da­ten, die an den Strän­den der Nor­man­die zum Kampf gegen den Nazi­fa­schis­mus antra­ten, ver­bie­tet. Die Leis­tung die­ser mili­tä­ri­schen Ope­ra­ti­on wird dadurch nicht gerin­ger, wenn man sie kor­rekt in den gesam­ten Kriegs­ver­lauf einordnet.

In Zusam­men­hang mit der Neu­be­wer­tung des „D‑Day“ steht auch das Geden­ken zum 75. Jah­res­tag des War­schau­er Auf­stan­des in die­sem Jahr. Am 1. August 1944 hat­ten sich in War­schau 40 000 Kämp­fer der pol­ni­schen Hei­mat­ar­mee (AK) gegen die deut­sche Besat­zung erho­ben. Über zwei Mona­te wur­de in der pol­ni­schen Haupt­stadt gekämpft. Am 2. Okto­ber erla­gen die Auf­stän­di­schen der deut­schen Über­macht. Zur Begrün­dung die­ses Schei­terns hält sich hart­nä­ckig eine The­se, die auch bei den dies­jäh­ri­gen Gedenk­fei­ern wie­der ver­brei­tet wur­de.[10] Die wenig erstaun­li­che Behaup­tung lau­tet: Sta­lin ist schuld! Angeb­lich habe die vor­rü­cken­de Rote Armee vor War­schau aus nie­der­träch­ti­gen Beweg­grün­den halt­ge­macht und see­len­ru­hig zuge­schaut, wie die Wehr­macht die der sowje­ti­schen Füh­rung ohne­hin suspek­ten Kämp­fer der natio­na­lis­tisch aus­ge­rich­te­ten Hei­mat­ar­mee abschlach­te­te. Damit wird unter­stellt, dass die sowje­ti­schen Trup­pen auch wirk­lich die Opti­on gehabt hät­ten, umstands­los in das War­schau­er Gesche­hen ein­zu­grei­fen. Aber wie war die mili­tä­ri­sche Lage wirk­lich? Der Befehls­ha­ber der im Raum War­schau kämp­fen­den sowje­ti­schen Trup­pen Mar­schall K. K. Rokos­sow­ski berich­te­te, dass die Kon­takt­auf­nah­me zur pol­ni­schen Hei­mat­ar­mee mit einem völ­li­gen Miss­erfolg ende­te. Ange­bo­te zum koor­di­nier­ten mili­tä­ri­schen Zusam­men­wir­ken sei­en von den AK-Offi­zie­ren scharf zurück­ge­wie­sen wor­den. Zwar hat­ten sich bereits pol­ni­sche Ver­bän­de den sowje­ti­schen Trup­pen ange­schlos­sen, aber dies erschien der natio­na­lis­ti­schen AK als unver­ein­bar mit ihrer anti­kom­mu­nis­ti­schen Grund­hal­tung. Rokos­sow­ski bekam zu hören: „Wir wer­den gegen die Rote Armee kei­ne Waf­fen­ge­walt anwen­den, wün­schen aber auch kei­nen Kon­takt mit ihr.“[11] Es stellt sich die Fra­ge, wie unter sol­chen Umstän­den das sowje­ti­sche Ober­kom­man­do die heu­te nach­träg­lich ange­mahn­te Unter­stüt­zung der AK-Kräf­te hät­te rea­li­sie­ren sol­len. Aber die­se Zurück­wei­sung war nicht das ein­zi­ge Pro­blem. Auch auf deut­scher Sei­te war man sich der stra­te­gi­schen Bedeu­tung War­schaus bewusst und kei­nes­wegs gewillt, dem Geg­ner einen mili­tä­ri­schen Spa­zier­gang zu gestat­ten. Daher wur­de die Front in Raum War­schau mas­siv ver­stärkt, unter ande­rem durch die drit­te und fünf­te SS-Pan­zer­di­vi­si­on. Sta­lin erkun­dig­te sich, ob die Mög­lich­keit einer Angriffs­ope­ra­ti­on zur Ein­nah­me War­schaus bestün­de. Mar­schall Rokos­sow­ski blieb nichts anders übrig, als die Fra­ge zu ver­nei­nen, wor­auf Sta­lin eine Unter­stüt­zung der Auf­stän­di­schen im Rah­men des Mög­li­chen anord­ne­te. Die­se muss­te sich in der Fol­ge aber auf Ver­sor­gungs­flü­ge zum Abwurf von Waf­fen und Hilfs­gü­tern sowie auf unter­stüt­zen­des Artil­le­rie­feu­er beschrän­ken.[12] Nun könn­te man mei­nen, dass ein sowje­ti­scher Kom­man­deur gute Grün­de gehabt haben dürf­te, die eige­ne Rol­le im Nach­hin­ein zu beschö­ni­gen. Gestützt wird Rokos­sow­skis Schil­de­rung aber von unver­däch­ti­ger Sei­te. Der Mili­tär­his­to­ri­ker und lang­jäh­ri­ge Mit­ar­bei­ter des Mili­tär­ge­schicht­li­chen For­schungs­am­tes der Bun­des­wehr Oberst a. D. Karl-Heinz Frie­ser macht gel­tend, dass Gene­ral­feld­mar­schall Wal­ter Model ver­mit­tels eines tak­ti­schen Rück­zugs eine Sta­bi­li­sie­rung der deut­schen Lini­en vor War­schau gelang. Bei einem anschlie­ßen­den Gegen­vor­stoß vom 1. bis zum 4. August schlu­gen die neu her­an­ge­führ­ten deut­schen Kräf­te die zwei­te sowje­ti­sche Pan­zer­ar­mee ver­nich­tend. Die­se hef­ti­gen Kämp­fe bie­ten ein Bild, das in kras­sem Gegen­satz zum immer noch behaup­te­ten „see­len­ru­hi­gen Abwar­ten“ der Roten Armee steht, wes­halb Frie­ser zu die­ser The­se auf Distanz geht.[13]

Es gibt durch­aus Grün­de zu der Annah­me, dass den West­al­li­ier­ten an einem all­zu schnel­len Vor­rü­cken der sowje­ti­schen Streit­kräf­te nicht gele­gen war. Am 20. August 1944 eröff­ne­ten die­se eine gro­ße Offen­si­ve im süd­li­chen Abschnitt der deutsch-sowje­ti­schen Front. Die Wehr­macht erlitt ver­hee­ren­de Ver­lus­te, an der Donau tat sich über 200 km eine Lücke im Front­ver­lauf auf, für deren Schlie­ßung kei­ne Kräf­te zur Ver­fü­gung stan­den. Rund 40 deut­sche Divi­sio­nen auf dem Bal­kan waren von der Ein­kes­se­lung bedroht. In die­ser Situa­ti­on ent­schied sich das Ober­kom­man­do der Wehr­macht zur Räu­mung Grie­chen­lands, um die damit frei wer­den­den Ver­bän­de der Roten Armee ent­ge­gen­stel­len zu kön­nen. Es ist erstaun­lich, wie unge­stört die deut­schen Trup­pen aus Grie­chen­land abzie­hen konn­ten. Die bri­ti­sche Luft­waf­fe mach­te von ihrer inzwi­schen drü­cken­den Über­le­gen­heit kei­nen Gebrauch. Am 3. Novem­ber 1944 war der Abzug der Deut­schen abge­schlos­sen. Erst danach lan­de­ten bri­ti­sche Trup­pen in Grie­chen­land. Der His­to­ri­ker Mar­tin Secken­dorf ver­weist auf Abspra­chen zwi­schen deut­schen und bri­ti­schen Kom­man­do­stel­len, wonach die Wehr­macht ihre Stel­lun­gen mög­lichst lan­ge gegen die kom­mu­nis­tisch domi­nier­ten Ver­bän­de der Grie­chi­schen Volks­be­frei­ungs­ar­mee ELAS hal­ten soll­te. Im Gegen­zug gewähr­ten die Bri­ten den erwähn­ten unge­stör­ten Abzug – zu Las­ten ihrer sowje­ti­schen Ver­bün­de­ten.[14]

Das dop­pel­te Spiel setz­te sich fort. Seit Beginn des Jah­res 1943 bis April 1945 gab es gehei­me Ver­hand­lun­gen hoch­ran­gi­ger SS-Dienst­stel­len mit dem in der Schweiz ansäs­si­gen Euro­pa-Chef des US-Geheim­diens­tes Office of Stra­te­gic Ser­vices (OSS) Allen W. Dul­les über einen Sepa­rat­frie­den und die gemein­sa­me Fort­set­zung des Krie­ges gegen die UdSSR. Die Füh­rung des Drit­ten Rei­ches setz­te nicht uner­heb­li­che Hoff­nun­gen in die­se Son­die­rungs­ge­sprä­che und woll­te auf jeden Fall ver­hin­dern, dass die­se durch einen vor­zei­ti­gen mili­tä­ri­schen Zusam­men­bruch und eine etwai­ge sowje­ti­sche Beset­zung Deutsch­lands gegen­stands­los wür­den. Es ist oft die Fra­ge gestellt wor­den, war­um die Wehr­macht gera­de an der Ost­front auch ange­sichts einer inzwi­schen aus­sichts­lo­sen mili­tä­ri­schen Lage wei­ter­hin fana­ti­schen Wider­stand leis­te­te. Zumin­dest ein der Teil der Erklä­rung dürf­te in den Spe­ku­la­tio­nen auf einen doch noch ein­tre­ten­den Bruch der Anti-Hit­ler-Koali­ti­on zu fin­den sein. Aller­dings bestand Dul­les dar­auf, dass einer even­tu­ell zu bil­den­den neue Reichs­re­gie­rung Hit­ler nicht mehr ange­hö­ren dür­fe.[15] Der 8. Mai 1945 mach­te die­sen Über­le­gun­gen ein Ende.

In die­ser Kon­ti­nui­tät ste­hen auch Chur­chills 1998 der Öffent­lich­keit bekannt gewor­de­nen Plä­ne („Ope­ra­ti­on Unt­hin­ka­ble“) für einen Angriff zum 1. Juli 1945 gegen die UdSSR – mit Hil­fe einer wie­der­be­waff­ne­ten Wehr­macht. Wegen der zu erwar­ten­den Ableh­nung sei­tens der US-Regie­rung und auch der eige­nen Bevöl­ke­rung wur­de von dem Vor­ha­ben Anstand genommen.

Es ist also deut­lich, dass die vom EU-Par­la­ment vor­ge­nom­me­ne Gleich­set­zung von Faschis­mus und Kom­mu­nis­mus dazu dient, die Geschich­te der „west­li­chen Demo­kra­tien“ von man­chen häss­li­chen Fle­cken zu rei­ni­gen, wel­che das begüns­ti­gen­de Pak­tie­ren mit dem Nazi­fa­schis­mus hin­ter­las­sen hat. Vom Mit­tel der Geschichts­fäl­schung wird dabei beden­ken­los Gebrauch gemacht. Es geht um nichts ande­res als um die geschicht­li­che Unter­füt­te­rung einer feind­se­li­gen Grund­hal­tung Russ­land gegen­über, die ihren Aus­druck bereits in der wort­brü­chi­gen NATO-Auf­nah­me sämt­li­cher ehe­ma­li­ger Ver­bün­de­ter der UdSSR in Ost­eu­ro­pa fand. Die­se Ent­wick­lung setz­te sich fort mit der offen­si­ven Unter­stüt­zung faschis­ti­scher durch­setz­ter Kräf­te beim Regie­rungs­um­sturz 2014 in der Ukrai­ne und gip­felt momen­tan in der Ver­le­gung von NATO-Trup­pen ins Bal­ti­kum – mit deut­scher Betei­li­gung. Wie­der ste­hen deut­sche Pan­zer an der Gren­ze zu Russ­land. Wir haben es hier mit einem Skan­dal von Geschichts­ver­ges­sen­heit und einer Frie­dens­ge­fähr­dung ers­ter Ord­nung zu tun. Eine Prä­mis­se der NATO hat den Kal­ten Krieg über­lebt und setzt ihr unheil­vol­les Wir­ken fort: Nur ein schwa­ches Russ­land ist ein gutes Russland.


Erik Höh­ne

    [1] O. Chlewn­juk, Sta­lin. Eine Bio­gra­phie, Pan­the­on Ver­klag, Mün­chen, 2017, S. 265

    [2] ebd. S. 270

    [3] ebd. S. 272

    [4] I. Deut­scher, Sta­lin. Eine poli­ti­sche Bio­gra­phie, Wis­sen­schaft­li­che Buch­ge­sell­schaft, Darm­stadt, 1989, S. 556

    [5] K. Goss­wei­ler, Wider den Revi­sio­nis­mus, Ver­lag zur För­de­rung der wis­sen­schaft­li­chen Welt­an­schau­ung, Mün­chen, 1997, S. 183

    [6] vgl. O. Chlewn­juk, Sta­lin. Eine Bio­gra­phie, Pan­the­on Ver­lag, Mün­chen, 2017, S. 270 f.

    [7] K. Goss­wei­ler, Wider den Revi­sio­nis­mus, Ver­lag zur För­de­rung der wis­sen­schaft­li­chen Welt­an­schau­ung, Mün­chen, 1997, S. 181

    [8] vgl. https://​www​.fr​.de/​p​o​l​i​t​i​k​/​w​e​n​d​e​p​u​n​k​t​-​z​w​e​i​t​e​n​-​w​e​l​t​k​r​i​e​g​s​-​1​1​7​2​9​7​4​3​.​h​tml, 15.11.2019

    [9] vgl. ebd.

    [10] vgl.: https://​www​.zdf​.de/​n​a​c​h​r​i​c​h​t​e​n​/​h​e​u​t​e​/​v​o​r​-​f​u​e​n​f​u​n​d​s​i​e​b​z​i​g​-​j​a​h​r​e​n​-​b​e​g​a​n​n​-​w​a​r​s​c​h​a​u​e​r​-​a​u​f​s​t​a​n​d​-​h​i​n​t​e​r​g​r​u​e​n​d​e​-​1​0​0​.​h​tml, 19.11.2019

    [11] zitiert nach: U. Huar, Bei­trä­ge Sta­lins zur sowje­ti­schen Mili­tär­wis­sen­schaft und –poli­tik, Ernst Thäl­mann Ver­lag, Ber­lin, 2007, S. 272

    [12] vgl. ebd. S.275

    [13] vgl. https://​www​.welt​.de/​g​e​s​c​h​i​c​h​t​e​/​z​w​e​i​t​e​r​-​w​e​l​t​k​r​i​e​g​/​a​r​t​i​c​l​e​1​3​0​7​7​5​2​3​3​/​V​i​e​r​-​P​a​n​z​e​r​d​i​v​i​s​i​o​n​e​n​-​r​e​t​t​e​t​e​n​-​d​i​e​-​O​s​t​f​r​o​n​t​.​h​tml, 19.11.2019

    [14]vgl. http://​www​.trend​.info​par​ti​san​.net/​t​r​d​0​2​0​2​/​t​0​8​0​2​0​2​.​h​tml, 19.11.2019

    [15]vgl. R. Opitz, Faschis­mus und Neo­fa­schis­mus, Ver­lag Mar­xis­ti­sche Blät­ter, Frank­furt a. M. 1984, S. 234 ff.

    [16] vgl.: https://​www​.zdf​.de/​n​a​c​h​r​i​c​h​t​e​n​/​h​e​u​t​e​/​v​o​r​-​f​u​e​n​f​u​n​d​s​i​e​b​z​i​g​-​j​a​h​r​e​n​-​b​e​g​a​n​n​-​w​a​r​s​c​h​a​u​e​r​-​a​u​f​s​t​a​n​d​-​h​i​n​t​e​r​g​r​u​e​n​d​e​-​1​0​0​.​h​tml, 19.11.2019

    [17] zitiert nach: U. Huar, Bei­trä­ge Sta­lins zur sowje­ti­schen Mili­tär­wis­sen­schaft und –poli­tik, Ernst Thäl­mann Ver­lag, Ber­lin, 2007, S. 272

    [18] vgl. ebd. S.275

    [19] vgl. https://​www​.welt​.de/​g​e​s​c​h​i​c​h​t​e​/​z​w​e​i​t​e​r​-​w​e​l​t​k​r​i​e​g​/​a​r​t​i​c​l​e​1​3​0​7​7​5​2​3​3​/​V​i​e​r​-​P​a​n​z​e​r​d​i​v​i​s​i​o​n​e​n​-​r​e​t​t​e​t​e​n​-​d​i​e​-​O​s​t​f​r​o​n​t​.​h​tml, 19.11.2019

    [20]vgl. http://​www​.trend​.info​par​ti​san​.net/​t​r​d​0​2​0​2​/​t​0​8​0​2​0​2​.​h​tml, 19.11.2019

    [21]vgl. R. Opitz, Faschis­mus und Neo­fa­schis­mus, Ver­lag Mar­xis­ti­sche Blät­ter, Frank­furt a. M. 1984, S. 234 ff.