Widerstandskämpfer gegen den Hitlerfaschismus
Am 26.10.2024 fand in der Neusser Rathauspassage an den Ehrentafeln für die Neusser Widerstandskämpferinnen und ‑kämpfer eine Veranstaltung zum Gedenken an Hermann Düllgen statt. Er hatte vor der Machtübertragung an die Nazis 1933 die KPD im Neusser Stadtrat vertreten. Anschließen war er elf Jahre lang im antifaschistischen Widerstand aktiv und wurde dreimal verhaftet, bevor 1944 hingerichtet wurde. Am 27.10.2024 jährte sich seine Ermordung zum 80. Mal.
Bei der Veranstaltung hielt Erik Höhne für die DKP die folgende Rede:
Sehr geehrte Anwesende,

morgen ist es auf den Tag 80 Jahre her, dass Hermann Düllgen in Frankfurt am Main hingerichtet wurde. Hermann Düllgen war ein Bürger unserer Stadt, in der er als Arbeiter den Lebensunterhalt für sich und seine Familie verdiente. Seit 1929 gehörte er der Kommunistischen Partei Deutschlands an, die er im Neusser Stadtrat vertrat. Mit dem Machtantritt der Nazis trat er seinen Weg an in die Illegalität des antifaschistischen Widerstandes. Dreimal wurde er verhaftet, bis ein Henker im Dienst der braunen Barbarei sein Leben beendete. Wir werden heute kaum noch ermessen können, was es bedeuten mag, elf Jahre in ständiger Lebensgefahr, unter Verfolgungsdruck und Angst vor drohender Folter zu verbringen. Hermann Düllgen hat dies auf sich genommen. Eine große Herausforderung wird es für ihn, für seine Genossinnen und Genossen auch gewesen sein, nicht den Glauben an die Mitmenschen zu verlieren, von denen allzu viele sich von der Nazipropaganda einfangen ließen. Es gehört eine enorme geistige und moralische Kraft dazu, auch in solchen Zeiten daran festzuhalten, dass Menschen lernen können, um einen Irrweg zu erkennen und umzukehren. Hermann Düllgen hat diese Kraft aufgebracht.
Aber das Gedenken an ihn war und ist in unserer Stadt kein einfaches. Es hat sehr lange, besser gesagt viel zu lange gedauert, bis man sich zu einer Straßenbenennung zu seinen Ehren, zu Ehren eines KPD-Mitgliedes durchringen konnte. In der Bundesrepublik hat man sich mit der Würdigung des kommunistischen Widerstandes gegen Hitler seit jeher sehr schwergetan. Außer Acht blieb dabei die Tatsache, dass die Kommunisten den Teil der Nazigegner darstellen, der von 1933 bis 1945 mit Abstand den höchsten Blutzoll zahlte. Diese Geisteshaltung hat auch in Neuss ihren Niederschlag gefunden und findet ihn immer noch. Es ist wirklich bestürzend, wenn in unserer Stadt, z.B. bei Veranstaltungen zum Gedenken an die Reichspogromnacht Reden gehalten werden, in denen der „Extremismus von rechts und links“ angeklagt wird. Wer in solcher Weise Faschisten und Kommunisten gleichsetzt, der setzt auch zahllose Menschen, die während der Nazizeit ermordet wurden, mit ihren Mördern gleich. Man ehrt die Opfer des Faschismus nicht durch die Beleidigung von Widerstandskämpfern. Einfacher menschlicher Anstand sollte so etwas eigentlich verbieten.
Um nicht missverständen zu werden, hier eine Klarstellung: Wer eines kommunistischen Widerstandskämpfers gedenkt, geht damit keine Verpflichtung ein, seine politischen Überzeugungen als Marxist zu übernehmen. Ebenso können wir konservative Hitler-Gegner ehren, auch wenn wir das von ihnen vertretene Programm nicht übernehmen würden. Und man muss kein gläubiger Christ sein, um den Mut von Dietrich Bonhoeffer zu würdigen.
Deshalb war es ein kluge Richtungsentscheidung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/ Bund der Antifaschisten, sich einer Unterscheidung in vermeintlich „guten“ und „schlechten“ Widerstand zu verweigern und statt dessen das Erinnern an ihn als unteilbar zu definieren. Dies ist umso wichtiger, wenn wir bedenken, dass geschichtliches Erinnern auch immer ein umkämpftes Feld ist. Man kann hier mit Recht von Geschichtspolitik sprechen, denn das Gedenken an Vergangenes soll nicht selten der Rechtfertigung aktueller Politik dienen. Es ist auch nichts daran auszusetzen, dass in gegenwärtigen Auseinandersetzungen mit historischen Bezügen gearbeitet wird. Ganz im Gegenteil: Bei so mancher aktueller Debatte wäre etwas weniger Geschichtsvergessenheit durchaus wünschenswert. Eines darf allerdings nicht passieren, und das ist das Zerreißen des antifaschistischen Widerstands in als brauchbar erkannte Teile und in missliebige Elemente, die man aus der Erinnerung löscht oder diffamiert. Ich möchte daran erinnern, dass in den KZs Menschen miteinander in Kontakt kamen, die sich zur Zeit der Weimarer Republik so frontal gegenüberstanden, dass ein Gespräch zwischen ihnen kaum noch möglich war. Aber als sich in Buchenwald die Häftlinge nach ihrer Befreiung zusammenfanden, um ihren berühmten Schwur zu sprechen, standen Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen, Parteilose, Bürgerliche und noch viele andere in gemeinsamen Reihen. Sie gaben sich und der Welt das Versprechen, eine Wiederholung des Erlebten nie wieder zuzulassen und dafür zu kämpfen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Die Geist des Schwurs von Buchenwald ist es wert, dass wir uns auch heute an ihm orientieren.
Ich danke Ihnen.