Gedenken an den antifaschistischen Widerstand in Neuss 1933 – 1945
Das traditionelle Gedenken zu Ehren der Neusser Widerstandskämpferinnen und ‑kämpfer am Ersten Mai kann in diesem Jahr unter den Bedingungen der Corona-Pandemie nicht wie gewohnt stattfinden. Dennoch will die DKP Neuss-Dormagen den Tag nicht ohne Würdigung dieser mutigen Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt verstreichen lassen. Daher legt sie auch in diesem Jahr Blumen an den Gräbern von August Höhfeld und Hermann Düllgen nieder, die ihren Kampf gegen den Faschismus mit dem Leben bezahlten. Wichtig ist dies vor allem, weil ihr Vermächtnis nach wie vor nicht erfüllt ist.
Die befreiten Häftlinge des KZs Buchenwald schworen: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ Doch wie steht es heute in unserem Land um die Erfüllung dieses Anspruchs? Am 9. Oktober 2019 griff der Faschist Stephan Balliet in Halle die dortige Synagoge an, um ein Blutbad unter den Menschen anzurichten, die sich anlässlich des höchsten jüdischen Feiertages dort versammelt hatten. Als er dieses Vorhaben nicht umsetzen konnte, erschoss er zwei Menschen im Umfeld der Synagoge. Am 19. Februar 2020 ermordete der Nazi Tobias Rathjen in Hanau zehn Menschen. Und wie jedes Mal geisterte durch die Medien das Gefasel vom psychisch gestörten Einzeltäter – ganz so, als ob es in Deutschland keine faschistische Szene gäbe, die sich seit Jahren in einer Atmosphäre von stiller Begünstigung und offener Verharmlosung gedeihlich entwickelt. Politik, Justiz und Strafverfolgungsbehörden bieten hier immer wieder ein ebenso skandalöses wie beschämendes Bild.
Es zeigt sich, dass aus der Mordserie des NSU keine Konsequenzen gezogen wurden. Bereits damals war den zuständigen staatlichen Organen mehr an Verschleierung als an Aufklärung gelegen. Der Verfassungsschutz hat die Nazi-Szene, aus welcher der NSU hervorging, mit aufgebaut und finanziert. Diesbezügliche Akten wurden vernichtet, ohne dass dies strafrechtliche Konsequenzen gehabt hätte. Der damalige Chef des thüringischen Verfassungsschutzes, Helmut Roewer, publiziert heute in rechtsradikalen Medien. Wer Faschisten und deren Freunde zu Schützern einer parlamentarischen Demokratie bestellt, dem geht es wohl höchstens in Worten um den realen Schutz dieser Ordnung. Die Rede vom Staatsversagen ist hier bestenfalls Schönfärberei. Denn Versagen liegt vor, wenn ein grundsätzlich gewolltes Vorhaben durch eigenes Unvermögen nicht umgesetzt wurde. Aber kann man jemandem wie Herrn Roewer (oder seinen übergeordneten Dienstherren) wirklich den Willen zur Verteidigung der Demokratie unterstellen? Am Aufbau der Behörde, in der er führend tätig war, waren seinerzeit ehemalige Angehörige von SS und Gestapo beteiligt. Man kann sich also gut vorstellen, welcher Geist in diesem Hause herrscht, aber umso schlechter, dass aus dieser Richtung Initiativen zum Schutz demokratischer Rechte zu erwarten wären. Und dieses Bild wird auch dadurch nicht besser, dass die Finanzbehörden versuchen, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BdA) die Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Gerade Organisationen wie die VVN/BdA sind es, welche eine unentbehrliche Arbeit leisten, um über faschistische, rassistische Umtriebe aufzuklären und ihnen entgegenzutreten. Hier Solidarität zu zeigen und unterstützend aktiv zu werden, ist notwendiger denn je. Denn für das Wort „Wehret den Anfängen!“ ist es zu spät. Über Anfänge sind wir hinaus. Es muss Schlimmeres verhindert werden.