„Die Gru­ben in des Vol­kes Hand!“

Klas­sen­kämp­fe im Ruhr­ge­biet nach der Befrei­ung vom Faschismus

„Die Berg­ar­bei­ter wis­sen, dass der Berg­bau­ver­ein, die Thys­sen, Klöck­ner, Krupp und alle Aktio­nä­re die Geld­ge­ber der NSDAP waren. Die Berg­ar­bei­ter wis­sen, dass die­se deut­schen Gru­ben­ba­ro­ne mit der Ruhr­koh­le zwei Welt­krie­ge vor­be­rei­tet und geführt haben. Die deut­schen Koh­le­ba­ro­ne sind Kriegs­ver­bre­cher. Um einen neu­en Krieg zu ver­hin­dern, ver­lan­gen die Berg­ar­bei­ter die Über­füh­rung der Schacht­an­la­gen in die Hän­de der Pro­vin­zi­al­re­gie­rung.“ Die­se Erklä­rung war die Richt­schnur der Betriebs­rä­te aller Schacht­an­la­gen des Ruhr­ge­bie­tes auf ihrer Kon­fe­renz am 14. Novem­ber 1945 in Bochum.

Die Arbei­ter­klas­se des Ruhr­ge­bie­tes schick­te sich an, ihr Gewicht zur Gestal­tung eines anti­fa­schis­ti­schen und demo­kra­ti­schen Deutsch­lands in die Waag­scha­le zu wer­fen. Hier­bei wuss­te sie die KPD, aber auch gro­ße Tei­le sozi­al­de­mo­kra­ti­scher und christ­li­cher Kräf­te an ihrer Sei­te. Zudem hat­te die damals in Deutsch­land höchs­te Auto­ri­tät, die Gemein­schaft der Sie­ger­mäch­te, mit dem Pots­da­mer Abkom­men die Dezen­tra­li­sie­rung der deut­schen Wirt­schaft zum Gebot der Stun­de erklärt. Man hat­te in West und Ost die deut­schen Mono­po­le als Motor und Nutz­nie­ßer des Faschis­mus erkannt. Die Werk­tä­ti­gen des Ruhr­ge­bie­tes konn­ten zunächst also hof­fen, dass ihr Begeh­ren mit den deutsch­land­po­li­ti­schen Vor­stel­lun­gen der USA, Groß­bri­tan­ni­ens, Frank­reichs und der UdSSR im Ein­klang ste­hen wür­de. In den Jah­ren 1946 und 1947 kam es in den Städ­ten an der Ruhr und in Düs­sel­dorf zu Streiks, an denen sich tau­sen­de von Arbei­tern betei­lig­ten. Es wur­den For­de­run­gen nach bes­se­ren Arbeits- und Lebens­be­din­gun­gen eben­so erho­ben wie nach höhe­ren Löh­nen und der Sozia­li­sie­rung der Koh­le- und Stahl­in­dus­trie. Ein Höhe­punkt war der Gene­ral­streik am 12. Novem­ber 1948 in der bri­ti­schen und ame­ri­ka­ni­schen Besatzungszone.

Auch auf par­la­men­ta­ri­scher Ebe­ne wur­de die­ser Kampf mit Vehe­menz geführt. Am 7. Janu­ar 1947 brach­te die KPD eine Vor­la­ge zur ent­schä­di­gungs­lo­sen Ent­eig­nung der nord­rhein­west­fä­li­schen Koh­le­gru­ben in den Land­tag ein. Am 4. März wur­de dem Par­la­ment ein Vor­schlag der SPD unter­brei­tet, nach dem über das Sozia­li­sie­rungs­vor­ha­ben in einer Volks­be­fra­gung ent­schie­den wer­den soll­te. Der CDU gelang es erfolg­reich mit irre­füh­ren­den Redens­ar­ten von „Ent­flech­tung“ und Begren­zung unter­neh­me­ri­scher Macht die Sozia­li­sie­rungs­vor­la­ge zum Schei­tern zu brin­gen. Und den­noch war der Druck enorm.

Im April 1947 sieg­te die CDU bei den Wah­len zum NRW-Land­tag und stell­te mit Karl Arnold den Minis­ter­prä­si­den­ten. Die­ser sah sich in sei­ner anschlie­ßen­den Regie­rungs­er­klä­rung genö­tigt, die Über­füh­rung der Grund­stoff­in­dus­trien in Gemein­ei­gen­tum in Aus­sicht zu stel­len. Am 6. August 1948 beschloss der nord­rhein­west­fä­li­sche Land­tag die treu­hän­de­ri­sche Über­nah­me der Koh­le­gru­ben durch das Land NRW. Aber hier trat die bri­ti­sche Besat­zungs­macht auf den Plan und ver­bot die Ver­wirk­li­chung des Geset­zes kur­zer­hand. Dies pass­te zu dem Vor­ge­hen der US-ame­ri­ka­ni­schen Besat­zungs­be­hör­den: Schon am 1. Dezem­ber 1946 hat­ten sich die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger des Lan­des Hes­sen in einer Volks­ab­stim­mung zur Annah­me des Lan­des­ver­fas­sungs­ent­wur­fes für die Über­füh­rung von Berg­bau, Eisen- und Stahl­in­dus­trie, Ener­gie­wirt­schaft und Eisen­bahn in Gemein­ei­gen­tum aus­ge­spro­chen. Hier war es der US-ame­ri­ka­ni­sche Mili­tär­gou­ver­neur L. D. Clay, der mit einem Ver­bot ein­schritt. Es zeig­te sich ein absurd wir­ken­des Bild, in dem die west­li­chen Besat­zungs­mäch­te nun die öko­no­mi­schen Grund­la­gen des von ihnen nie­der­ge­wor­fe­nen Faschis­mus gegen Tei­le der Bevöl­ke­rung des besieg­ten Lan­des verteidigten.

Das durch die bür­ger­li­che Geschichts­wis­sen­schaft immer noch gepfleg­te Bild von Sie­gern, wel­che „die Demo­kra­tie“ in die drei West­zo­nen brach­ten, bekommt hier deut­li­che Ris­se. Demo­kra­ti­sche Gepflo­gen­hei­ten waren nur noch von beschei­de­ner Bedeu­tung, wenn den Erfor­der­nis­sen des Kal­ten Krie­ges Genü­ge getan wer­den muss­te.  Den erwähn­ten Streiks begeg­ne­ten die bri­ti­schen Behör­den mit har­ter Repres­si­on und droh­ten sogar mit der Todes­stra­fe. Eben­so wur­de unum­wun­den erklärt, dass Bestre­bun­gen von Kom­mu­nis­ten und Sozi­al­de­mo­kra­ten zur Her­stel­lung einer ein­heit­li­chen Arbei­ter­par­tei als im höchs­ten Maße uner­wünscht betrach­tet wür­den. Es gab Ver­bots­ver­fü­gun­gen gegen die Durch­füh­rung ent­spre­chen­der Zusam­men­künf­te. 1948 wur­de der KPD-Vor­sit­zen­de Max Rei­mann zu drei Mona­ten Gefäng­nis ver­ur­teilt, weil er das Anse­hen der bri­ti­schen Mili­tär­ver­wal­tung und des Par­la­men­ta­ri­schen Rates her­ab­ge­setzt habe.  Dabei hat­te Rei­mann ledig­lich klar­ge­stellt, dass Ade­nau­er und sei­ne CDU die Ein­heit Deutsch­lands ver­ra­ten, indem sie den West­mäch­ten Hilfs­diens­te bei der Bil­dung eines west­deut­schen restau­ra­tiv aus­ge­rich­te­ten Sepa­rat­staa­tes leis­te­ten. Ganz im Geis­te des pro­le­ta­ri­schen Inter­na­tio­na­lis­mus sorg­te die KP Groß­bri­tan­ni­ens dafür, dass ihrem deut­schen Genos­sen Rei­mann ein bri­ti­scher Ver­tei­di­ger zur Sei­te gestellt wurde.

Mit der Kon­fe­renz von Bochum war das Signal gege­ben wor­den für einen Kampf, in dem anti­mo­no­po­lis­ti­sche, demo­kra­ti­sche und anti­fa­schis­ti­sche For­de­run­gen zusam­men­flos­sen. Die Kräf­te der natio­na­len Spal­tung und des Anti­kom­mu­nis­mus tra­ten ihm mit aller Macht ent­ge­gen. Und den­noch fand in die 1950 ange­nom­me­ne Lan­des­ver­fas­sung von NRW Arti­kel 27 mit fol­gen­dem Wort­laut Ein­gang: „Groß­be­trie­be der Grund­stoff­in­dus­trie und Unter­neh­men, die wegen ihrer mono­pol­ar­ti­gen Stel­lung beson­de­re Bedeu­tung haben, sol­len in Gemein­ei­gen­tum über­führt wer­den.“ Im Zei­chen der öko­lo­gi­schen Kri­se unse­rer Tage gewinnt die­se Bestim­mung eine beson­de­re Aktualität.

Erik Höh­ne