8. Mai
(Bitte entschuldigt den Ton)
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
heute vor 79 Jahren wurde Deutschland durch die Streitkräfte der Anti-Hitler-Koalition vom Faschismus befreit. Den mit Abstand höchsten Blutzoll in diesem Kampf leisteten die Menschen der Sowjetunion.
Deswegen ist für uns, d. h. für die Deutsche Kommunistische Partei Neuss-Dormagen, der achte Mai als Tag der Befreiung ein Anlass zu ehrendem Gedenken. Wir befinden uns hier auf dem Neusser Hauptfriedhof an einem besonderen Denkmal. Hier wird, leider etwas versteckt, an die sowjetischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter erinnert, die zur Zeit des Faschismus in Neuss ihr Leben ließen. Unabhängig von den konkreten Umständen ihres Todes ist festzuhalten: Sie wurden ermordet. Sie fielen der menschenverachtenden faschistischen Ideologie zum Opfer, die in ihnen slawische Untermenschen sah, die man durch Sklavenarbeit vernichten durfte. Mit dieser Zwangsarbeit sollte ein Vernichtungskrieg forciert werden, dessen Ziel es war, das Gebiet der Sowjetunion zu germanisieren. Hinter dieser Formulierung stand das Ziel, die einheimische Bevölkerung durch direkte Ermordung, durch Hunger oder durch Sklavenarbeit schrittweise zu vernichten. Damit sollte Platz gemacht werden für die Besiedelung durch sogenannte deutsche Herrenmenschen. Im Generalplan Ost wurden diese Pläne präzisiert. Sie liefen hinaus auf das umfangreichste Massenverbrechen des Hitlerfaschismus. 27 Millionen Tote hatte die UdSSR im Ergebnis des deutschen Überfalls zu beklagen. Aber die barbarischen Pläne der Nazis scheiterten dennoch, scheiterten am unbeugsamen Widerstand der sowjetischen Völker und am heldenhaften Kampfeswillen der Rote Armee.
Und im Ergebnis leisteten die sowjetischen Streitkräfte auch den entscheidenden Beitrag, um unsere Heimat von der brauen Pest zu befreien. Deswegen verneigen wir uns heute vor dem Ehrenmal auf dem Neusser Hauptfriedhof und danken denen, die im Kampf gegen die faschistische Barbarei ihr Leben gaben. Es ist beschämend, dass der achte Mai in der Bundesrepublik immer noch nicht als Feiertag begangen wird. Die Erinnerung an das Verbrechen der Nazis, welches die meisten Opfer forderte, wird in Deutschland nach wie vor ins historische Abseits gedrängt. Angemessene Orte des Gedenkens fehlen auch weiterhin.
Denn die von den Faschisten gesäte Verachtung gegenüber den sowjetischen Menschen wurde auch im Kalten Krieg weiterhin propagandistisch genutzt.
Diese unselige Tradition findet nun ihre Fortsetzung in neuen Feindbildern Russland gegenüber. Wieder wird dieses Land uns als Bedrohung präsentiert, gegen die wir uns zu rüsten hätten. Deswegen wird uns eine bestimmte Sichtweise auf den Ukrainekrieg vorgeschrieben, wobei dessen Vorgeschichte keine Rolle mehr zu spielen hat. Die ständige Betonung des sogenannten russischen Angriffskriegs lässt außer Acht, wie sich die NATO in wortbrüchiger Weise an die Grenzen Russlands herangeschoben hat. Auch vergisst sie, wie die damalige ukrainische Regierung 2014 weggeputscht wurde bei massiver Unterstützung durch NATO und EU. Über die Präsenz faschistischer Kräfte in dieser Umsturzbewegung sah man großzügig hinweg. Die Menschen in der Ostukraine weigerten sich, das Putschisten-Régime als legitime Regierung anzuerkennen. Die Antwort der Machthaber in Kiew war Krieg – ein Krieg, der Tausende von Toten forderte. Nachdem der Donbass mehrere Jahre dem Bombardement ukrainischer Regierungstruppen und den Attacken faschistischer Bataillone ausgesetzt war, griff Russland in das Kriegsgeschehen ein. Inzwischen ist eine Situation entstanden, die Verhandlungen zwischen den beteiligten Seiten zwingend erscheinen lässt. Anstatt den Krieg weiter zu befeuern, muss nun aus der Rüstungs- und Zerstörungsspirale ausgestiegen werden. Denn der gegenwärtig noch begrenzte Krieg in der Ukraine trägt den Keim in sich für einen dritten großen Krieg. Wer Willens ist, aus der blutigen Geschichte Europas im 20. Jahrhundert Lehren zu ziehen, muss erkennen: Nie wieder dürfen wir Deutschen uns zu Feinden Russlands machen lassen.
Ich danke Ihnen.
Erik Höhne