Zum 200. Geburts­tag von Fried­rich Engels

Ein Leser­brief aus dem Rhein-Kreis Neuss

Der 28. Novem­ber 2020 ist für die Ver­tre­ter der Welt­an­schau­ung des Mar­xis­mus-Leni­nis­mus und
alle fort­schritt­li­chen Men­schen ein beson­de­rer Höhe­punkt: Der 200. Geburts­tag von Fried­rich Engels, gebo­ren in dem heu­te zu Wup­per­tal gehö­ren­den Bar­men.
Die­ses Jubi­lä­um soll­te Anlass sein, erneut die Wer­ke von Engels zur Hand zu neh­men.
Für die Ent­wick­lung mei­ner welt­an­schau­lich-poli­ti­schen Posi­ti­on hat­te und hat das Werk von Engels: „Lud­wig Feu­er­bach und der Aus­gang der klas­si­schen deut­schen Phi­lo­so­phie“ (Marx-Engels-Wer­ke Bd. 21, S. 259 – 307 oder Aus­ge­wähl­te Schrif­ten in zwei Bän­den Bd. II, S. 333 – 375) beson­de­res Gewicht. Des­halb will ich dazu eini­ge Gedan­ken äußern.


In die­sem 1886 ver­öf­fent­lich­ten Werk baut Fried­rich Engels, anknüp­fend an die von Marx im Jahr 1845 for­mu­lier­ten „The­sen über Feu­er­bach“, das umfas­send aus, was er in sei­ner Rede am Grab von Karl Marx am 17. März 1883, die gro­ßen Ver­diens­te des Freun­des wür­di­gend, gesagt hat­te: „Wie Dar­win das Gesetz der Ent­wick­lung der orga­ni­schen Natur, so ent­deck­te Marx das Ent­wick­lungs­ge­setz der mensch­li­chen Geschich­te: die bis­her unter ideo­lo­gi­schen Über­wu­che­run­gen ver­deck­te ein­fa­che Tat­sa­che, dass die Men­schen vor allen Din­gen zuerst essen, trin­ken, woh­nen und sich klei­den müs­sen, ehe sie Poli­tik, Wis­sen­schaft, Kunst, Reli­gi­on usw. trei­ben kön­nen; dass also die Pro­duk­ti­on der unmit­tel­ba­ren mate­ri­el­len Lebens­mit­tel und damit die jedes­ma­li­ge öko­no­mi­sche Ent­wick­lungs­stu­fe eines Vol­kes oder eines Zeit­ab­schnitts die Grund­la­ge bil­det, aus der sich die Staats­ein­rich­tun­gen, die Rechts­an­schau­un­gen, die Kunst und selbst die reli­giö­sen Vor­stel­lun­gen der betref­fen­den Men­schen ent­wi­ckelt haben und aus der sie daher auch erklärt wer­den müs­sen – nicht, wie bis­her gesche­hen, umge­kehrt.“
Es ist nicht mög­lich, in die­sem Arti­kel den gro­ßen Reich­tum des genann­ten Wer­kes von Fried­rich Engels auch nur annä­hernd aus­zu­schöp­fen. Ich will mich auf eini­ges beschrän­ken.
Eine sei­ner Kern­aus­sa­gen besteht dar­in, dass Engels, das von ihm sehr hoch geschätz­te Schaf­fen von Hegel und Feu­er­bach aus­wer­tend, aber den welt­an­schau­li­chen Idea­lis­mus Hegels und die mecha­nisch-mate­ria­lis­ti­sche Posi­ti­on Feu­er­bachs über­win­dend, auf dia­lek­tisch-mate­ria­lis­ti­scher Grund­la­ge nach­weist, dass sich nicht nur die Natur nach objek­ti­ven Geset­zen ent­wi­ckelt, son­dern dass das auch auf die mensch­li­che Gesell­schaft zutrifft.
Dabei stellt er klar, dass, wäh­rend in der Natur sich die Geset­ze schein­bar zufäl­lig als „blin­de Agen­zi­en“ durch­set­zen, in der Gesell­schaft die­se Geset­ze im Han­deln der Men­schen wir­ken, ein Han­deln, dass „vor­her durch ihren Kopf hin­durch muss“.
„Die Men­schen machen ihre Geschich­te, wie die­se auch immer aus­fal­le, indem jeder sei­ne eig­nen, bewusst gewoll­ten Zwe­cke ver­folgt, und die Resul­tan­te die­ser vie­len in ver­schie­de­nen Rich­tun­gen agie­ren­den Wil­len und ihrer man­nig­fa­chen Ein­wir­kun­gen auf die Außen­welt ist eben die Geschich­te.“
Die Gestalt, die es in den Köp­fen, im Wil­len und letzt­lich dem Han­deln annimmt, wird nach Engels von den jewei­li­gen öko­no­mi­schen Ver­hält­nis­sen als eigent­li­cher Grund­la­ge bestimmt.
Er stellt in der Pro­duk­ti­ons­wei­se der jewei­li­gen Gesell­schaft die Dia­lek­tik von Pro­duk­tiv­kräf­ten als das revo­lu­tio­närs­te Ele­ment und Pro­duk­ti­ons­ver­hält­nis­sen dar und beweist anhand der Geschich­te, dass Pro­duk­ti­ons­ver­hält­nis­se immer dann über­wun­den wer­den und wer­den müs­sen, wenn sie zum Hemm­nis für die Ent­wick­lung der Pro­duk­tiv­kräf­te gewor­den sind.
Marx und Engels haben bereits im Kom­mu­nis­ti­schen Mani­fest, und Marx, vor allem in sei­nem Werk „Das Kapi­tal“, den Grund­wi­der­spruch das Kapi­ta­lis­mus ana­ly­siert und defi­niert: den Wider­spruch zwi­schen gesell­schaft­li­cher Pro­duk­ti­on und pri­vat­ka­pi­ta­lis­ti­scher Aneig­nung, sich öko­no­misch dar­stel­lend als Wider­spruch zwi­schen Arbeit und Kapi­tal und klas­sen­mä­ßig zwi­schen Arbei­ter­klas­se und Bour­geoi­sie.
Aus dem Erfor­der­nis des in der Gesell­schaft wir­ken­den Geset­zes der Über­ein­stim­mung der Pro­duk­ti­ons­ver­hält­nis­se mit dem Cha­rak­ter der Pro­duk­tiv­kräf­te kann es nur eine Lösung geben: Die Über­win­dung des pri­vat­ka­pi­ta­lis­ti­schen Eigen­tums als Kern der kapi­ta­lis­ti­schen Pro­duk­ti­ons­ver­hält­nis­se, und Her­stel­lung des gesell­schaft­li­chen Eigen­tums an den wich­tigs­ten Pro­duk­ti­ons­mit­teln, um dem gesell­schaft­li­chen Cha­rak­ter der Pro­duk­tiv­kräf­te freie Ent­wick­lung zu ermög­li­chen.
Auf der Grund­la­ge die­ses mate­ria­lis­ti­schen Her­an­ge­hens cha­rak­te­ri­siert Engels in sei­nem Werk das Ver­hält­nis von öko­no­mi­scher Basis und ideo­lo­gisch-insti­tu­tio­nel­lem Über­bau und weist nach, dass Staat, Staats­recht und selbst das Pri­vat­recht immer Aus­druck des Wil­lens und der Inter­es­sen der herr­schen­den Klas­se sind.
Mir als Juris­ten ist das beson­ders ein­leuch­tend gewor­den bei einem Ver­gleich des im Jahr 1900 unter kapi­ta­lis­ti­schen Pro­duk­ti­ons­ver­hält­nis­sen in Kraft getre­te­nen Bür­ger­li­chen Gesetz­bu­ches (BGB) mit dem Zivil­ge­setz­buch der DDR (ZGB) aus dem Jahr 1975, in einer Zeit, in der sozia­lis­ti­sche Pro­duk­ti­ons­ver­hält­nis­se bestim­mend waren.
In den 2385 Para­gra­phen des Bür­ger­li­chen Gesetz­bu­ches mit einer Viel­zahl von Unter­pa­ra­gra­phen steht das Eigen­tum als die Grund­la­ge der kapi­ta­lis­ti­schen Gesell­schafts­ord­nung abso­lut im Mit­tel­punkt. In der Deut­schen Demo­kra­ti­schen Repu­blik wur­de das kapi­ta­lis­ti­sche Eigen­tum an Pro­duk­ti­ons­mit­teln über­wun­den und die durch das neue Zivil­recht im ZGB gere­gel­ten sozia­lis­ti­schen Gemein­schafts­be­zie­hun­gen kamen mit 480 Para­gra­phen aus.
Was ler­nen wir heu­te aus den Aus­sa­gen Fried­rich Engels‘ in dem hier genann­ten Werk:
Engels stellt dar, dass es bei dem objek­ti­ve gesell­schaft­li­che Geset­ze durch­set­zen­den mensch­li­chen Han­deln immer auf das ankommt, was, wie er schreibt, „gro­ße Mas­sen, gan­ze Völ­ker und in jedem Volk wie­der gan­ze Volks­klas­sen in Bewe­gung setzt“.
Das setzt vor­aus, dass die Volks­mas­sen erken­nen, wor­in ihre tat­säch­li­chen Inter­es­sen bestehen, im Gegen­satz zu dem, was ihnen durch die herr­schen­de bür­ger­li­che Ideo­lo­gie und ihre Medi­en vor­ge­gau­kelt wird.
Dazu bedarf es einer auf den Wer­ken von Marx, Engels und Lenin wir­ken­den Par­tei, die tat­säch­lich die Volks­mas­sen erreicht, über­zeugt und bei der Umset­zung ihrer Inter­es­sen führt. Eine Poli­tik, die vor­wie­gend auf Refor­men im Rah­men der bestehen­den Ord­nung setzt, sich von Marx, Engels und Lenin voll­stän­dig abge­wandt hat und statt­des­sen einen „welt­an­schau­li­chen Plu­ra­lis­mus“ ver­tritt, den es nicht gibt, und Aus­sa­gen zur Über­win­dung des impe­ria­lis­ti­schen Sys­tems immer mehr ver­wäs­sert, wie das lei­der von den füh­ren­den Kräf­ten der Par­tei „Die Lin­ke“ ver­tre­ten wird, ist dafür völ­lig unge­eig­net.
Es ist wohl­tu­end, dass die Deut­sche Kom­mu­nis­ti­sche Par­tei der Welt­an­schau­ung der Mar­xis­mus-Leni­nis­mus die Treue hält und dar­auf ihre Poli­tik begrün­det, auch wenn es noch am Mas­sen­ein­fluss fehlt. Das wird nicht so blei­ben. Nach Engels ist und bleibt die Pra­xis das Kri­te­ri­um der Wahr­heit.
In die­sem Sin­ne bestä­ti­gen die Ent­wick­lun­gen in Chi­na, Viet­nam und Kuba und trotz der zeit­wei­li­gen Nie­der­la­ge auch die Ergeb­nis­se in euro­päi­schen Län­dern, die Wirk­sam­keit der auch von Engels in sei­nem Werk dar­ge­stell­ten objek­ti­ven gesell­schaft­li­chen Geset­ze.
Das ist Grund­la­ge unse­res his­to­ri­schen Opti­mis­mus.
Die DKP han­delt ganz im Sin­ne der Wor­te von Fried­rich Engels am Schluss sei­nes Wer­kes:
„Die deut­sche Arbei­ter­be­we­gung ist die Erbin der deut­schen klas­si­schen Philosophie.“

Dr.jur. Dr.phil. Ernst Albrecht