Wie die Hitler-Faschisten die kapitalistische Produktionsweise sanierten
(1933 ff) Vortrag vom 08.01.2025
Um ihr imperialistisches Programm zu verwirklichen, erteilten die Hitler-Faschisten als Regierungspartei Staatsaufträge zur Pro-duktion von Rüstungsgütern an die kapitalistischen Industrie-betriebe, sodass die Wehrmacht ab 1933 kriegstüchtig gemacht wurde. Zudem wurde auf diese Weise die kapitalistische Profit-macherei wieder angekurbelt, die zuvor mangels zahlungsfähiger Nachfrage in eine Überproduktionskrise geraten war. Zum Zweck der Kriegstüchtigkeit zerschlugen die Hitler-Faschisten zugleich die gesamte Arbeiterbewegung, damit die „herzzerbrechende Zerrissenheit“ der deutschen Nation beseitigt werde.
Das imperialistische Programm der Hitler-Regierung
Am 1. Februar 1933 verlas der neue Reichskanzler Hitler im Rundfunk einen Aufruf, dem die Grundlinien der neuen deut-schen Politik zu entnehmen sind. Die „herzzerbrechende Zer-rissenheit“ Deutschlands müsse beseitigt werden, um den „Wiederaufstieg“ der Nation zu ermöglichen. (Fußnote 1)
Wie die deutsche Nation in der imperialistischen Staatenkon-kurrenz wieder nach oben geführt werden sollte, unterbreitete Staatsmann Hitler zwei Tage später den Befehlshabern des Heeres und der Marine. Im Innern Deutschlands müsse der „Marxismus mit Stumpf und Stiel“ ausgerottet und der „Krebs-schaden[.] der Demokratie“ beseitigt werden, weil sie für die Zerrissenheit der Nation verantwortlich seien. Danach gehe es um „Ertüchtigung der Jugend und Stärkung des Wehrwillens mit allen Mitteln“. Der „Aufbau der Wehrmacht“ sei die wichtigste Voraussetzung für die „Wiedererringung der politischen Macht“ durch den „Kampf gegen Versailles“. Mit „Versailles“ gemeint ist der Versailler Friedensvertrag, durch den nach dem Ersten Weltkrieg sichergestellt werden sollte, dass Deutschland keinen Angriffskrieg führen konnte. Nachdem durch den „Kampf gegen Versailles“ die politische Macht wiedererrungen worden sei, müsse für die „Eroberung neuen Lebensraumes im Osten und dessen rücksichtslose Germanisierung“ gekämpft werden. Für die „Einstellung der Jugend […] auf den Gedanken, dass nur der Kampf uns retten kann“, hatten die Sozialisationsinstanzen Hitler-Jugend und Schule zu sorgen. (Fußnote 2)
Die faschistische Krisenlösungsstrategie
Finanziert wurde die Aufrüstung der Wehrmacht durch eine riesige Staatsverschuldung. Denn das Kernstück des faschis-tischen Wirtschaftsprogramms war die Vergabe von Staats-aufträgen. Sie wurden erteilt zur Verbesserung der kriegsrele-vanten Infrastruktur (beispielsweise Autobahnen oder Reichs-bahn), vor allem aber für die Produktion von Rüstungsgütern. In Neuss zum Beispiel ließ die Landwirtschaftsmaschinenfabrik namens International Harvester Company (IHC) ihre Lohnarbeiter und Lohnarbeiterinnen zunehmend Panzer produzieren.
Die Infrastrukturmaßnahmen und die Rüstungsgüter hatten die Eigenschaft, marktunabhängig zu sein. Denn der Staat erteilte die Aufträge und trat zugleich als Käufer auf. Weil die kapitalis-tische Produktionsweise zu einer Überproduktionskrise geführt hatte, war die Marktunabhängigkeit der Staatsaufträge das Heilmittel für die Profitmacherei der Kapitalisten. Da die Kapita-listen viele ihrer Waren nicht mehr gewinnbringend auf dem Markt verkaufen konnten, ermöglichten die faschistischen Staatsaufträge die Sanierung der kapitalistischen Produktions-weise. (Fußnote 3)
Die Bezahlung der Staatsaufträge erfolgte vornehmlich durch die Ausgabe langfristiger Reichswechsel, sodass sich der faschisti-sche Staat in hohem Maße verschuldete. Die Schuldscheine, die der Staat ausgab, mussten aber irgendwann eingelöst werden. Ermöglicht werden sollte die Einlösung der Schuldscheine durch die kriegerische „Eroberung von Lebensraum“. (Fußnote 4)
Der geistige Vater der faschistischen Krisenlösungsstrategie mittels Staatsverschuldung zwecks Aufrüstung war übrigens der deutschnationale Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht. Der Finanzfachmann, der die Mefo-Wechsel sich ausdachte, hatte das Amt des Reichsbankpräsidenten von 1933 bis 1939 inne. Zudem war er von 1934 bis 1937 Reichswirtschaftsminister und oben-drein von 1935 bis 1937 Generalbevollmächtigter für die Kriegs-wirtschaft. Aufgrund dieser Ämterhäufung wird er als Hitlers Bankier bezeichnet. (Fußnote 5)
Die faschistische Zerschlagung der Arbeiterbewegung
Um die Sanierung der kapitalistischen Produktionsweise zu voll-enden, zerschlugen die Hitler-Faschisten die gesamte Arbeiter-bewegung. Mittels Terrors bekämpft und verboten wurden die revolutionäre KPD, die reformistische SPD und die sozialpartner-schaftliche Gewerkschaft namens ADGB, weil sie als Vertreter der Arbeiterinteressen das Funktionieren der Ökonomie störten. Im Neusser Werk der IHC beispielsweise wurde der kommunistische Betriebsrat aufgelöst. Stattdessen wurde eine „Betriebs-Gemein-schaft“ der Deutschen Arbeitsfront (DAF) installiert, in der die Lohnabhängigen als „Gefolgschaft“ eines Unternehmers mit Namen „Betriebsführer“ funktionieren mussten.
Die Atomisierung des Proletariats war zudem notwendig, damit die Deutschen für die Raub- und Eroberungskriege der Faschisten mobilisiert werden konnten. (Fußnote 6)
Die Hinwendung der Bourgeoisie zum Hitler-Faschismus als Krisenlösungsstrategie resultiert nicht aus schlechten Charakter-eigenschaften der Produktionsmittelbesitzer. Vielmehr ist sie strukturellen Zwängen der kapitalistischen Produktionsweise geschuldet. Denn eine systemimmanente Krisenlösung erforderte den radikalen Abbau der sozialen Errungenschaften der Arbeiter-bewegung, da nur so wieder profitabel produziert werden konnte. Auch die Umstellung der Wirtschaft auf die Produktion markt-unabhängiger Rüstungsgüter war bedingt durch strukturelle Zwänge, nämlich durch die zu geringen Absatzmöglichkeiten auf dem deutschen Binnenmarkt und dem Weltmarkt. (Fußnote 7)
Wohlgemerkt: Die Rede ist hier nicht von quasi-natürlichen Sach-zwängen, sondern von strukturellen Zwängen der kapitalistischen Profitmacherei, die auch deshalb abgeschafft gehört.
Fußnoten
Fußnote 1: Becker, Josef & Becker, Ruth (Hg.): Hitlers Macht-ergreifung 1933: Dokumente, München 1983, S. 36 – 38
Fußnote 2: ebenda, S. 40f.
Fußnote 3: Wie sehr die Weltwirtschaftskrise in Deutschland wütete, lässt sich an zwei Indikatoren ablesen. Im Jahr 1932, dem Höhepunkt der Krise, ging die Industrieproduktion um 41,8 Prozent zurück, und die Zahl der Arbeitslosen betrug rund 6 Millionen. Das Zahlenmaterial zu den Auswirkungen der Weltwirtschafts-krise in Deutschland findet sich bei: Varga, Eugen: Die Krise des Kapitalismus und ihre politischen Folgen, Frankfurt am Main 1969, S. 222, 239, 240 und 298
Fußnote 4: Kadritzke, Niels: Faschismus und Krise. Zum Verhält-nis von Politik und Ökonomie im Nationalsozialismus, Frankfurt am Main und New York 1976, S. 74f.
Fußnote 5: Kopper, Christopher: Hjalmar Schacht: Aufstieg und Fall von Hitlers mächtigstem Bankier, München und Wien 2006
Fußnote 6: Bauer, Otto: Der Faschismus (1936). In: Abendroth, Wolfgang (Hg.): Faschismus und Kapitalismus, Frankfurt am Main 1967, S. 154f. und S. 144
Fußnote 7: Marx, Karl: Das Kapital, 1. Band, MEW 23, S. 100: „Wir werden überhaupt im Fortgang der Entwicklung finden, dass die ökonomischen Charaktermasken der Personen nur die Personifikationen der ökonomischen Verhältnisse sind, als deren Träger sie sich gegenübertreten.“